Mittwoch, 17. Juli 2013

Süß-Sauer mal anders: Shrubs

Und wieder einmal sind uns die Amerikaner voraus. Nicht nur die Mickey Maus, Coca Cola und flächendeckende Internetüberwachung haben sie erfunden, sondern auch – und jetzt wird die Überleitung halsbrecherisch – den flächendeckenden Gebrauch von Shrubs in Bars. Während das Thema in deutschen Bars und Blogs noch ein Nischenthema darstellt, ist man anderswo schon weiter: Warum als Säuerungsmittel immer nur Limetten, Zitronen und Orangen nehmen?

Die Rede ist von Shrubs: Dies sind Kombinationen aus Zucker, Früchten und Essig als Säurelieferant. Ein privat hergestellter Sweet-and-Sour-Mix also, der im richtigen Einsatz Cocktails eine neue spannende Komponente hinzufügen kann. Mittlerweile gibt es auf dem deutschen Markt einen kommerziellen Anbieter. Wer sich aber nicht zu schade ist, etwas in der Küche zu stehen, kann mindestens ebenso gut auch alleine einen Shrub herstellen. Über die lange Historie von Shrubs ist hingegen schon an anderer Stelle eloquent und abschließend berichtet worden. 

Variationen sind zahllose möglich. Ich habe saisonal die Kombination: Erdbeeren + Raffinierter Zucker + Weißer Balsamicoessig verwendet. Erdbeeren und Balsamico sind eine durchaus bekannte Idee und weißer Balsamico statt dunklem: Naja sagen wir: Das Auge trinkt mit. Verwendet man andere Beeren oder Früchte, ist aber ein eigengeschmackarmer Essig wie z.B. Apfelessig vorzuziehen. Man könnte z.B. auch noch Gewürze wie z.B. Pfeffer, Rosmarin oder ähnliche hinzufügen.

 

Herstellung

Generell gibt es zwei Möglichkeiten, einen Shrub herzustellen: Entweder man stellt einen normalen Fruchtsirup unter Einkochen der Früchte her und gibt dann nach dem Erkalten den Essig hinzu. Allerdings leiden darunter die Frische der Früchte. Oder man gibt im Verhältnis 1:1 Früchte (Erdbeeren schälen und vierteln) und Zucker in eine Schüssel, rührt diese und stellt die Schüssel etwa einen Tag in den Kühlschrank, wo der Zucker den Saft aus den Früchten zieht. Danach siebt man die Früchte heraus, gibt Flüssigkeit und Zucker in eine Schüssel und gibt solange Essig dazu, bis der Zucker sich aufgelöst hat. Fertig. Der Inhalt sollte sich dank der Säure im Kühlschrank mehrere Wochen bis Monate halten. Auch verändert sich der Shrub im Geschmack mit der Zeit, was aber eher positiv zu sehen ist. Nennen wir es am besten einen „Reifeprozess“.

 

Verwendung

Einfach ein bisschen des Shrubs zu Sekt geben und als leckeren Aperitif oder mit Soda als erfrischende Alternative zur Limonade auf der Terrasse des Ferienhauses an der Algarve auf Balkonien trinken.

Sommerlich-erfrischend kann man aber auch einen Klassiker variieren.

Strawberry Shrub Daiquiri (Manhattanprojekt.de)

  • 6 cl Weißer Rum (Plantation 3 Stars)
  • 1,5 cl Erdbeer-Shrub
  • 1,25-1,5 cl Limettensaft
  • Ggf. minimal Zucker zum Nachsüßen
Auf Eiswürfeln shaken. In Cocktailschale abseihen. Mit Basilikumblatt garnieren.

I've been through the desert on a horse with no name (Manhattanprojekt.de)

  • 6 cl Mezcal
  • 3 cl Erdbeer-Shrub
  • 4 cl Limettensaft
  • Etwas Soda
Im Glas auf Eiswürfeln bauen. Soda hinzugeben


Shrubs sind für mich eine spannende Variante, Säure mal unter einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Was sind eure Erfahrung mit Shrubs? Gibt es denn schon Bars, die erfolgreich mit Shrubs experimentieren? Ich bin auf eure Antworten gespannt.

Ich melde mich in zwei Wochen wieder. Solange ist hier wegen schönem Wetter geschlossen. Frohen Sommer!

Donnerstag, 11. Juli 2013

Warum „Artisanal Spirits“ nicht immer besser sind: Mezcal – eine Geschmackserfahrung

Wir lieben „Craft“ und den kleinen Bruder „Artisanal“. Craft Beer, Artisanal Gin. Craft Whisky. Small Batch Bitters. Aber was ist „Craft“ überhaupt? Es bedeutet, dass Produkte nicht industriell hergestellt werden, sondern mit viel Liebe von Hand in kleinen Mengen und zum Teil traditionellen Methoden hergestellt werden. Das hat durchaus seine Berechtigung. Die Craft Beer Szene bzw. die Micro Breweries haben die jahrzehntelange Stagnation im deutschen Biermarkt aufgebrochen. Die Eigenherstellung von Gin und Bitters hat eine ähnliche Qualitätserhöhung und -vielfalt mit sich gebracht. Dahinter steht die zum Teil etwas idealisierende Vorstellung, dass hier der Handwerksmeister („Craftman“) noch im Schweiße seines Angesichts das Produkt herstellt. Was aber, wenn man den Schweiß des Handwerksmeisters noch schmeckt

Mezcal ist das Produkt, das dieses Prinzip auf die Spitze treibt. Mezcal wird in Kleinstmengen hergestellt und verkauft. Dabei werden gerade bei familiengeführten Betrieben auch traditionelle Methoden genutzt. Höhepunkt ist der Mezcal Minero: Hier besteht die Brennblase nicht aus Kupfer oder gar Edelstahl, sondern aus Ton. Der Export funktioniert so: Man fährt nach Mexiko, kauft einer Familie die ca. 200 Liter Jahresproduktion ab, verschifft sie und verkauft sie hier.

Kürzlich kam ich dank des C&D-Forums zu einem Mezcal Tasting. Es wurden dreizehn junge Mezcals gekostet. Und die Bandbreite in den Geschmäckern war furchterregend. Andere Teilnehmer berichteten von „Muffigem Keller“, „Nagellackentferner“ und „feuchtes Handtuch aus Plastiktüte“ sowie „verbrannten Reifen“. Trotzdem erhielten die Produkte zum Teil Höchstnoten. Ist das nur olfaktorischer Masochismus? Oder ist es mehr? Ist es viel eher das Gefühl, dass „handwerkliche Produkte“ einfach echter, intensiver und damit richtiger schmecken als industriell hergestellte Produkte? Und wenn ja, stimmt das? Gerade die semi-professionell hergestellten Produkte: Illegal und San Cosme polarisierten im Test. Dem einen waren sie zu langweilig, die anderen erfreuten sich am Geschmack von Agave und Rauch ohne „Fehltöne“.

Ich will im Übrigen nicht behaupten, Mezcal sei gefährlich oder ungesund. Jedes exportierte Produkt wird durch das Mezcal Regulatory Council (COMERCAM) in Labors kontrolliert. Eine Qualitätskontrolle ist daher vorhanden. Aber auch verschiedene Bartender erklärten mir wenig erfreut, dass die Qualität innerhalb der verschiedenen Chargen einer Marke sehr stark schwankt.

Was stimmt den nun? Wie muss Mezcal denn nun genau schmecken? Wahrscheinlich stimmt beides. Ursprünglicher Mezcal schmeckt einfach anders. Das Ergebnis der semi-industriellen Herstellung nennen die einen Geschmacksverlust, die anderen Fortschritt. Und hinzu gesellt sich das Wort Trend. Dinge verkaufen sich derzeit einfacher, wenn sie nicht von einem großen Hersteller kommen, sondern von familiengeführten Unternehmen. Daher wird eher der Versuch unternommen, kleiner zu wirken als man tatsächlich ist (siehe Templeton Rye). So ist es auch mit Mezcal. Der Trend bestimmt zwar nicht den Geschmack, aber die Bewertung desselbigen.

Mezcal ist für mich die Spirituose der Artisanal-Generation. Ich freue mich über das Auftauchen guter Produkte und ich mixe gerne mit ihr. Sie passt zu Himbeeren, Birnen, Salbei, Rote Beete und vielem mehr. Aber es bleibt bei Kleinstproduzenten ein Produkt mit großen Qualitätsschwankungen. Ich für meinen Teil bleibe daher beim semi-industriell gefertigten Mezcal wie San Cosme oder Illegal. Gegen den Trend.

Montag, 8. Juli 2013

Cardamaro – Portrait eines Grenzgängers und ein Gewinnspiel

Wenn man versucht, auf dem Markt für Weinaperitivo und Wermut-Varianten den Überblick zu behalten, wird man leicht überfordert. Neuheiten wie der Lillet Rosé strömen auf den Markt. Mancini und Maurin produzieren neuerdings ebenfalls Wermut. Der italienische „Vermouth del Professore“ ist ebenfalls neu. Vom Erfolg des Cocchi Americano und des Cocchi Wermut ganz zu schweigen. Und hat das Martini Unternehmen etwa auch einen Premium Wermut namens „Martini Gran Lusso“ zum 150. Geburtstag gelauncht?

Daher möchte ich den geneigten Leser erst einmal beruhigen. Das nun vorgestellte Produkt Cardamaro ist definitiv in Deutschland nicht erhältlich. Und das soll sich nach dem Hersteller auch nicht ändern. In den USA hingegen ist Cardamaro in den Bars weit verbreitet und wird mal als Weinaperitif, mal als Amaro bezeichnet. Er ist beides ein bisschen und beides nicht ganz.

Zunächst die Fakten: Cardamaro wird nicht aus Kardamom hergestellt. Vielmehr geht der Name auf Cynara Cadunculus und Cardus Benedictus zurück, die wohl besser unter der Bezeichnung Artischocke und Benediktenkraut bekannt sind. Beides sind übrigens Distelgewächse. Mit diesen wird italienischer Muskatwein infusioniert und der Wein danach sechs Monate in unbenutzten Eichenfässern gelagert. Das Produkt ist ein weiniger Aperitif, der allerdings die starke Bitterkeit und Süße von Amaros hat. Ein sicherlich einzigartiges Produkt, das zum Mixen geradezu einlädt.

Ein geradezu perfektes Beispiel für einen äußerst extravaganten Drink mit Cardamaro ist der Teardrop:


Teardrop (Brick & Mortar, Boston)

  • 4,5 cl Cardamaro
  • 3 cl Ransom Old Tom Gin
  • 0,75 cl Averna Amaro
  • 1 bsp. Absinth
Auf Eiswürfeln rühren, in Coupe abseihen.

Ein unglaublich würziger Drink, der wohl auch nur mit diesen Zutaten funktioniert. Trotzdem behält er eine Leichtigkeit, weswegen er hervorragend als Aperitif fungieren kann.
Wer es etwas klassischer möchte, wieso nicht eine Manhattan Variante?

Cardamanhattan (Manhattanprojekt.de)

  • 6 cl Rye (z.B. Jefferson Rye)
  • 3 cl Cardamaro
  • 1 ds Fee Brothers Barrel Aged Bitters
Auf Eiswürfeln rühren, in Coupe abseihen. Ein sehr würziger Manhattan, aber es fehlt ihm die Schwere die ihm z.B. Carpano Antica Formula oder Cocchi Wermut verleihen. Auch wenn das etwas übertrieben optimistisch ist: Vielleicht ein "Sommer-Manhattan"?

Aber nun das Wichtigste:

Warum aber mache ich hier alle unruhig wegen eines Produktes, das nicht käuflich zu erwerben ist? Drei Möglichkeiten hat der Connaisseur an das Produkt zu kommen: Die erste ist natürlich der Kauf in den USA. Ein zweiter ist ein Besuch des Le Lion, dem ich eine Flasche zukommen habe lassen. Vielleicht ist ja noch etwas in der Flasche. Die dritte Möglichkeit: Gewinnt eine Flasche. Ich verlose unter allen, die die Facebook-Seite des Manhattan Projekts liken und den zu diesem Blogeintrag korrespondierenden Post öffentlich teilen, eine Flasche Cardamaro. Der Gewinner wird am Montag, den 15. Juli 2013 auf Facebook bekannt gegeben. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Viel Erfolg.