Dienstag, 3. September 2013

One Step more - Fusion mit der Trinklaune

Liebe Leser,

Das Manhattanprojekt erhält eine neue Hülle. Ich werde ab dem 6.9. für die Trinklaune bloggen.

Der Blog bleibt hier als Informationsportal bestehen. Neue Posts werden aber nicht mehr entstehen. Dafür werden meine "Lieblingsposts" auf der Trinklaune in aktualisierter Fassung neu erscheinen.

Panta Rhei!

Daniel

Donnerstag, 22. August 2013

Elijah Craig Barrel Proof - ein Stück dem Bourbonhimmel näher

Elijah Craig 12, destilliert vom Unternehmen Heaven Hill ist ein großartiger Bourbon für wenig Geld. Dieses Postulat von Herrn Meyer möchte ich gerne unterschreiben. Was aber, wenn man diesen zwölf Jahre alten Bourbon mit Fassstärke abfüllt? Ohne in zu verschneiden und zu filtrieren? Die Antwort: Man ist ein Stück dem Bourbon-Himmel näher gekommen. 

Zunächst die Stammdaten: Der Bourbon hat das gleiche Ausgangsprodukt wie der normale 12-jährige und ist genauso lange gelagert.  Die Heaven Hill Mashbill lautet: 75% Mais, 13% Roggen und 12% Gerste. Zum zweiten: Er hat knappe 67,1% Alkoholgehalt. Das verwundert insoweit, als dass Heaven Hill den Bourbon mit ca. 62% ins Fass füllt.  Doch durch die geringe Luftfeuchtigkeit und die hohen Termperaturen in den oberen Reihen des Lagerhauses verliert das Fass mehr Wasser als Alkohol als "Angels Share". Bisher wurde der Barrel Proof Bourbon nur direkt an der Destillerie in Bardstown, Kentucky verkauft. Nun kommt er in "Kleinstmengen" auf den US-Markt. Was bedeutet, dass wir in Deutschland nur homöpathische Dosen erhalten werden.


 

Farbe

Der Vergleich mit dem normalen Elijah Craig zeigt: dieser Whisky hat das Fass förmlich eingesogen. Dunkles Mahagoni ist die Farbe - und dass trotz nur zwölf Jahren bei beiden.Das Bild gibt dies leider nicht zu 100% wieder.

Nase

Die Nase ist nur kurz alkoholisch. Danach öffnet sich der Elijah Craig Barrel Proof auch ohne die Zugabe von Wasser. Orange, viel Karamel und dunkles Nougat. Ganz viel Power.

Geschmack

Süß! Dieser Bourbon ist zuckersüß. Aromen von Zimt, Karamel, Toffee sowie Gebäck und Butter. Dazu gesellt sich ein Orangenton, der die Weihnachtsbäckerei perfekt macht. Ein Whiskey zum Dessert. Der Abgang dauert gefühlte Stunden.


Und nun?

Kaufen, wenn man Elijah Craig Fan oder Bourbon-Freund ist! Entweder über die Kanäle aus England oder den richtigen Zeitpunkt auf dem deutschen Markt abwarten. Der Generalimporteur von Elijah Craig, Borco, wird einige Flaschen des Elijah Craig Barrel Proof auf den deutschen Markt bringen. Und ja das wird teuer. Ich erwarte einen Preis jenseits der 70 Euro. In den USA wird er mit 40$ taxiert. Andernfalls: Ausschau in der Bourbon-Bar des Vertrauens halten und probieren. Er mag manch einem zu süß sein. Dennoch: Eine Erweiterung des geschmacklichen Horizonts.
 

Montag, 12. August 2013

Roggen wechsel dich - Neues von Rittenhouse und Jefferson

Rittenhouse - Wechsel der Destillerie

 

Rittenhouse Rye ist trotz der schlechten Verfügbarkeit immer noch einer der großen Namen des Roggenbusiness. Jetzt gibt es zwei Nachrichten. Zum einen wird der "kleine" Rittenhouse mit 40% eingestellt. Zum zweiten: Rittenhouse BiB wird sich geschmacklich verändern. Warum ist das so?
  • Rittenhouse Rye gehört zum Heaven Hill Konzern. Bis 1996 wurde Rittenhouse in der Bardstown Destillery (DSP-KY 31) hergestellt, bis die Destillerie bei einem Feuer zerstört wurde.
  • Danach wurde bis 2010 Rittenhouse nach dem Heaven Hill Rezept von Brown Forman (DSP-KY 354) destilliert aber in Bardstown (DSP-KY 31) gelagert und abgefüllt. Daher auch: "Bottled by Continental Destilling", was ein Tochterunternehmen von Heaven Hill ist.
  • Seit ca. 2009 hat Heaven Hill seinen Rittenhouse BiB nun in der Bernheim Destillerie (DSP-KY 1) hergestellt und seit Mitte des Jahres abgefüllt.
Die gute Nachricht daher: Mit der Umstellung wird der Output auch vergrößert. Der Roggen dürfte bald besser verfügbar sein. Die schlechte Nachricht. Der Gaumen wird sich umgewöhnen müssen. Obwohl es das gleiche Rezept ist, sollen die Flaschen anders schmecken. Die bisherigen Tester empfanden den Geschmack als wesentlich mehr "Roggen-lastig" als dem alten Rye. Gut so!


Jefferson Rye - Wechsel des Zulieferers und Jefferson Presidential Select 21

 

Jefferson Rye ist als guter  halbweg günstiger Premium-Rye in aller Munde. Jetzt ergeben sich auch hier Änderungen.
  • Der Jefferson 10 Rye wird nicht mehr wie bisher aus Canada, genauer von Alberta Destillersm sondern von LDI in Indiana abgefüllt werden. Sichtbar ist dies an folgenden Änderungen: Es heißt nicht mehr "Canadian Rye" sondern "North American Rye" auf den Flaschen. Außerdem wird das 100% Rye Label dann bald ersetzt werden.
  • Jefferson bringt eine 21yo Presidential Select Rye auf den Markt. Es wird wohl der gleiche Roggen sein wie der High West 21, der ebenfalls von LDI destilliert wurde.
Es bleibt spannend am Roggenmarkt....

Mittwoch, 17. Juli 2013

Süß-Sauer mal anders: Shrubs

Und wieder einmal sind uns die Amerikaner voraus. Nicht nur die Mickey Maus, Coca Cola und flächendeckende Internetüberwachung haben sie erfunden, sondern auch – und jetzt wird die Überleitung halsbrecherisch – den flächendeckenden Gebrauch von Shrubs in Bars. Während das Thema in deutschen Bars und Blogs noch ein Nischenthema darstellt, ist man anderswo schon weiter: Warum als Säuerungsmittel immer nur Limetten, Zitronen und Orangen nehmen?

Die Rede ist von Shrubs: Dies sind Kombinationen aus Zucker, Früchten und Essig als Säurelieferant. Ein privat hergestellter Sweet-and-Sour-Mix also, der im richtigen Einsatz Cocktails eine neue spannende Komponente hinzufügen kann. Mittlerweile gibt es auf dem deutschen Markt einen kommerziellen Anbieter. Wer sich aber nicht zu schade ist, etwas in der Küche zu stehen, kann mindestens ebenso gut auch alleine einen Shrub herstellen. Über die lange Historie von Shrubs ist hingegen schon an anderer Stelle eloquent und abschließend berichtet worden. 

Variationen sind zahllose möglich. Ich habe saisonal die Kombination: Erdbeeren + Raffinierter Zucker + Weißer Balsamicoessig verwendet. Erdbeeren und Balsamico sind eine durchaus bekannte Idee und weißer Balsamico statt dunklem: Naja sagen wir: Das Auge trinkt mit. Verwendet man andere Beeren oder Früchte, ist aber ein eigengeschmackarmer Essig wie z.B. Apfelessig vorzuziehen. Man könnte z.B. auch noch Gewürze wie z.B. Pfeffer, Rosmarin oder ähnliche hinzufügen.

 

Herstellung

Generell gibt es zwei Möglichkeiten, einen Shrub herzustellen: Entweder man stellt einen normalen Fruchtsirup unter Einkochen der Früchte her und gibt dann nach dem Erkalten den Essig hinzu. Allerdings leiden darunter die Frische der Früchte. Oder man gibt im Verhältnis 1:1 Früchte (Erdbeeren schälen und vierteln) und Zucker in eine Schüssel, rührt diese und stellt die Schüssel etwa einen Tag in den Kühlschrank, wo der Zucker den Saft aus den Früchten zieht. Danach siebt man die Früchte heraus, gibt Flüssigkeit und Zucker in eine Schüssel und gibt solange Essig dazu, bis der Zucker sich aufgelöst hat. Fertig. Der Inhalt sollte sich dank der Säure im Kühlschrank mehrere Wochen bis Monate halten. Auch verändert sich der Shrub im Geschmack mit der Zeit, was aber eher positiv zu sehen ist. Nennen wir es am besten einen „Reifeprozess“.

 

Verwendung

Einfach ein bisschen des Shrubs zu Sekt geben und als leckeren Aperitif oder mit Soda als erfrischende Alternative zur Limonade auf der Terrasse des Ferienhauses an der Algarve auf Balkonien trinken.

Sommerlich-erfrischend kann man aber auch einen Klassiker variieren.

Strawberry Shrub Daiquiri (Manhattanprojekt.de)

  • 6 cl Weißer Rum (Plantation 3 Stars)
  • 1,5 cl Erdbeer-Shrub
  • 1,25-1,5 cl Limettensaft
  • Ggf. minimal Zucker zum Nachsüßen
Auf Eiswürfeln shaken. In Cocktailschale abseihen. Mit Basilikumblatt garnieren.

I've been through the desert on a horse with no name (Manhattanprojekt.de)

  • 6 cl Mezcal
  • 3 cl Erdbeer-Shrub
  • 4 cl Limettensaft
  • Etwas Soda
Im Glas auf Eiswürfeln bauen. Soda hinzugeben


Shrubs sind für mich eine spannende Variante, Säure mal unter einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Was sind eure Erfahrung mit Shrubs? Gibt es denn schon Bars, die erfolgreich mit Shrubs experimentieren? Ich bin auf eure Antworten gespannt.

Ich melde mich in zwei Wochen wieder. Solange ist hier wegen schönem Wetter geschlossen. Frohen Sommer!

Donnerstag, 11. Juli 2013

Warum „Artisanal Spirits“ nicht immer besser sind: Mezcal – eine Geschmackserfahrung

Wir lieben „Craft“ und den kleinen Bruder „Artisanal“. Craft Beer, Artisanal Gin. Craft Whisky. Small Batch Bitters. Aber was ist „Craft“ überhaupt? Es bedeutet, dass Produkte nicht industriell hergestellt werden, sondern mit viel Liebe von Hand in kleinen Mengen und zum Teil traditionellen Methoden hergestellt werden. Das hat durchaus seine Berechtigung. Die Craft Beer Szene bzw. die Micro Breweries haben die jahrzehntelange Stagnation im deutschen Biermarkt aufgebrochen. Die Eigenherstellung von Gin und Bitters hat eine ähnliche Qualitätserhöhung und -vielfalt mit sich gebracht. Dahinter steht die zum Teil etwas idealisierende Vorstellung, dass hier der Handwerksmeister („Craftman“) noch im Schweiße seines Angesichts das Produkt herstellt. Was aber, wenn man den Schweiß des Handwerksmeisters noch schmeckt

Mezcal ist das Produkt, das dieses Prinzip auf die Spitze treibt. Mezcal wird in Kleinstmengen hergestellt und verkauft. Dabei werden gerade bei familiengeführten Betrieben auch traditionelle Methoden genutzt. Höhepunkt ist der Mezcal Minero: Hier besteht die Brennblase nicht aus Kupfer oder gar Edelstahl, sondern aus Ton. Der Export funktioniert so: Man fährt nach Mexiko, kauft einer Familie die ca. 200 Liter Jahresproduktion ab, verschifft sie und verkauft sie hier.

Kürzlich kam ich dank des C&D-Forums zu einem Mezcal Tasting. Es wurden dreizehn junge Mezcals gekostet. Und die Bandbreite in den Geschmäckern war furchterregend. Andere Teilnehmer berichteten von „Muffigem Keller“, „Nagellackentferner“ und „feuchtes Handtuch aus Plastiktüte“ sowie „verbrannten Reifen“. Trotzdem erhielten die Produkte zum Teil Höchstnoten. Ist das nur olfaktorischer Masochismus? Oder ist es mehr? Ist es viel eher das Gefühl, dass „handwerkliche Produkte“ einfach echter, intensiver und damit richtiger schmecken als industriell hergestellte Produkte? Und wenn ja, stimmt das? Gerade die semi-professionell hergestellten Produkte: Illegal und San Cosme polarisierten im Test. Dem einen waren sie zu langweilig, die anderen erfreuten sich am Geschmack von Agave und Rauch ohne „Fehltöne“.

Ich will im Übrigen nicht behaupten, Mezcal sei gefährlich oder ungesund. Jedes exportierte Produkt wird durch das Mezcal Regulatory Council (COMERCAM) in Labors kontrolliert. Eine Qualitätskontrolle ist daher vorhanden. Aber auch verschiedene Bartender erklärten mir wenig erfreut, dass die Qualität innerhalb der verschiedenen Chargen einer Marke sehr stark schwankt.

Was stimmt den nun? Wie muss Mezcal denn nun genau schmecken? Wahrscheinlich stimmt beides. Ursprünglicher Mezcal schmeckt einfach anders. Das Ergebnis der semi-industriellen Herstellung nennen die einen Geschmacksverlust, die anderen Fortschritt. Und hinzu gesellt sich das Wort Trend. Dinge verkaufen sich derzeit einfacher, wenn sie nicht von einem großen Hersteller kommen, sondern von familiengeführten Unternehmen. Daher wird eher der Versuch unternommen, kleiner zu wirken als man tatsächlich ist (siehe Templeton Rye). So ist es auch mit Mezcal. Der Trend bestimmt zwar nicht den Geschmack, aber die Bewertung desselbigen.

Mezcal ist für mich die Spirituose der Artisanal-Generation. Ich freue mich über das Auftauchen guter Produkte und ich mixe gerne mit ihr. Sie passt zu Himbeeren, Birnen, Salbei, Rote Beete und vielem mehr. Aber es bleibt bei Kleinstproduzenten ein Produkt mit großen Qualitätsschwankungen. Ich für meinen Teil bleibe daher beim semi-industriell gefertigten Mezcal wie San Cosme oder Illegal. Gegen den Trend.

Montag, 8. Juli 2013

Cardamaro – Portrait eines Grenzgängers und ein Gewinnspiel

Wenn man versucht, auf dem Markt für Weinaperitivo und Wermut-Varianten den Überblick zu behalten, wird man leicht überfordert. Neuheiten wie der Lillet Rosé strömen auf den Markt. Mancini und Maurin produzieren neuerdings ebenfalls Wermut. Der italienische „Vermouth del Professore“ ist ebenfalls neu. Vom Erfolg des Cocchi Americano und des Cocchi Wermut ganz zu schweigen. Und hat das Martini Unternehmen etwa auch einen Premium Wermut namens „Martini Gran Lusso“ zum 150. Geburtstag gelauncht?

Daher möchte ich den geneigten Leser erst einmal beruhigen. Das nun vorgestellte Produkt Cardamaro ist definitiv in Deutschland nicht erhältlich. Und das soll sich nach dem Hersteller auch nicht ändern. In den USA hingegen ist Cardamaro in den Bars weit verbreitet und wird mal als Weinaperitif, mal als Amaro bezeichnet. Er ist beides ein bisschen und beides nicht ganz.

Zunächst die Fakten: Cardamaro wird nicht aus Kardamom hergestellt. Vielmehr geht der Name auf Cynara Cadunculus und Cardus Benedictus zurück, die wohl besser unter der Bezeichnung Artischocke und Benediktenkraut bekannt sind. Beides sind übrigens Distelgewächse. Mit diesen wird italienischer Muskatwein infusioniert und der Wein danach sechs Monate in unbenutzten Eichenfässern gelagert. Das Produkt ist ein weiniger Aperitif, der allerdings die starke Bitterkeit und Süße von Amaros hat. Ein sicherlich einzigartiges Produkt, das zum Mixen geradezu einlädt.

Ein geradezu perfektes Beispiel für einen äußerst extravaganten Drink mit Cardamaro ist der Teardrop:


Teardrop (Brick & Mortar, Boston)

  • 4,5 cl Cardamaro
  • 3 cl Ransom Old Tom Gin
  • 0,75 cl Averna Amaro
  • 1 bsp. Absinth
Auf Eiswürfeln rühren, in Coupe abseihen.

Ein unglaublich würziger Drink, der wohl auch nur mit diesen Zutaten funktioniert. Trotzdem behält er eine Leichtigkeit, weswegen er hervorragend als Aperitif fungieren kann.
Wer es etwas klassischer möchte, wieso nicht eine Manhattan Variante?

Cardamanhattan (Manhattanprojekt.de)

  • 6 cl Rye (z.B. Jefferson Rye)
  • 3 cl Cardamaro
  • 1 ds Fee Brothers Barrel Aged Bitters
Auf Eiswürfeln rühren, in Coupe abseihen. Ein sehr würziger Manhattan, aber es fehlt ihm die Schwere die ihm z.B. Carpano Antica Formula oder Cocchi Wermut verleihen. Auch wenn das etwas übertrieben optimistisch ist: Vielleicht ein "Sommer-Manhattan"?

Aber nun das Wichtigste:

Warum aber mache ich hier alle unruhig wegen eines Produktes, das nicht käuflich zu erwerben ist? Drei Möglichkeiten hat der Connaisseur an das Produkt zu kommen: Die erste ist natürlich der Kauf in den USA. Ein zweiter ist ein Besuch des Le Lion, dem ich eine Flasche zukommen habe lassen. Vielleicht ist ja noch etwas in der Flasche. Die dritte Möglichkeit: Gewinnt eine Flasche. Ich verlose unter allen, die die Facebook-Seite des Manhattan Projekts liken und den zu diesem Blogeintrag korrespondierenden Post öffentlich teilen, eine Flasche Cardamaro. Der Gewinner wird am Montag, den 15. Juli 2013 auf Facebook bekannt gegeben. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Viel Erfolg.

Freitag, 14. Juni 2013

Sommerdrink 2013 – Eine wissenschaftliche Glosse

Campari eröffnet die Sommercocktaildebatte. Offensichtlich erhielten auch einige andere Blogger einen flüssigen Impuls, um sich über den „Sommerdrink 2013“ Gedanken zu machen. Campari schickt hierbei seinen Tocco Rosso ins Rennen, um damit die Herzen der Straßencafébesucher, Nachtschwärmer und der Bars zu erobern. Grundsätzlich gefällt mir die Idee. Im Sommer sollten Cocktails auch draußen genossen werden. Und es trinkt sich draußen einfach anders als drinnen. Und während es den Barbesucher im winterlichen Hamburg (also bis Mitte Mai) auf der Suche nach Nestwärme in die Bars treibt, so fragt man sich ab den ersten wärmenden Sommerstrahlen doch, wie so viele Menschen (immer mehr als Plätze) in die Straßencafes strömen und was diese eigentlich als Broterwerb betreiben, um vor vier schon am Aperol Spritz nippen zu können...aber ich schweife ab.

Der Aperol Spritz...Man liebt oder hasst ihn. Dennoch ist er der größte Cocktail-Coup seit der Promotion der Caipirinha. Er trifft den Massengeschmack. Und als solcher lohnt es sich auch mal einen genaueren Blick auf das Phänomen „Sommerdrink“ zu werfen.

Wie kann man solch einen Erfolg also wiederholen? Was macht eigentlich einen Sommerdrink aus? Und versuchen wir einen – nicht ganz ernst gemeinten - Blick in die Glaskugel: Was wird (leider) garantiert nicht der Sommerdrink 2013?

Unbestrittene Sommercocktails sind der Aperol Spritz und der Hugo. Was lässt sich daraus also lernen?


1. Der Aperol Spritz

Quelle: Aperol.de

Der Aperol Spritz besteht bekanntlich aus drei Komponenten:

Aperol - Sekt – Soda

Ziehen wir also daraus höchstwissenschaftlich Schlüsse: Ein Sommerdrink muss (a) Sekt enthalten und (b) mit universell verfügbaren Zutaten und (c) einfacher bartenderischer Begabung im Gästeglas zubereitbar sein und (d) eine Grundzutat enthalten, die unverwechselbar und daher nicht austauschbar ist.


2. Der Hugo

Victor Hugo, würde Hugo trinken (wikipedia.de)

Der Aperol Spritz ist somit die Blaupause für den Sommerdrink. Wie einfach lässt sich der Gedanke auf den Hugo adaptieren:

Der Hugo wiederum besteht (laut Wikipedia) aus:

Minze – Holunderblütensirup –Sekt – und Soda

Beim Hugo ist es schwieriger. Die Quellen ob Zitronenmelisse- oder Holunderblütensirup verwendet werden soll, variieren. Ebenso ob Likör verwendet werden soll. Außerdem gibt es keine Grundzutat, die dem ganzen Drink seine „Identität“ gibt: Das hat zwei Konsequenzen: Es gibt keine einheitliche Rezeptur, manchmal wird auch Limettensaft hineingegeben. Und: weil der Geschmack eigentlich nicht genau feststeht, fährt ein jeder mit Premixes auf den fahrenden Zug auf. Ein Sommerdrink – ja. Aber keine Konkurrenz zum unverwechselbaren „Aperol Spritz“ – was wiederum gut für die Bartenderschaft sein könnte, denn die Kombination Holunderblüte + Minze ist ein guter Anfang für die Echte-Cocktail-Trinker-Karriere.



3. Tocco Rosso

Quelle: Campari.de

Campari fährt mit seinem Tocco Rosso folgende Zutaten auf:

Campari – Minze – Holunderblütensirup – Sekt

Das mutet sehr nach einem vertrauten Schema an: Wir haben den Bitterlikör, der dem Drink die Identität gibt (d), wir haben Sekt (a), universell verfügbare Zutaten (c) und er ist simpel zu machen. Eine Rezeptur, die sowohl Aperol Spritz Trinkern als auch Hugo Liebhabern gefallen dürfte. Campari hat mit diesen Drink vieles richtig gemacht. EDIT: Gemeint ist der marketingtechnische Aspekt. Ob er auch schmeckt, kann ich nicht beurteilen. ;-)

Viele Barkeeper (und Blogger) dürften über den Tocco Rosso stöhnen: Wieder ein Drink, der keine Ecken und Kanten enthält und für den man seine Fähigkeiten nicht zeigen kann. Und Holunderblüte ist mittlerweile die George-Gina-Lucy-Handtasche der Bar. Jeder hat eine und plötzlich ist sie uncool. Das aber ist der Preis des Erfolgs. Anders gesagt: Wer „Bartenders Ketchup“ promotet muss auch damit rechnen, dass es zu Junk Food gegessen wird. 

4. Der Negroni Sbagliato


Die Frage ist: lässt sich aus den oben genannten Prämissen ein auch höheren Ansprüchen genügender Cocktail herstellen? Ich behaupte: Ja. Und zwar z.B. den Negroni Sbagliato. Er besteht aus 2cl Campari (die unverwechselbare Basis); 2cl Roter Wermut und 2-4 cl Spumante (der Sekt). Auch sind die Zutaten einfach verfügbar und der Drink wird im Gästeglas gebaut.  Für mich der perfekte Sommerdrink. Leider wird er es nicht.


Ergo: Gegen Sommerdrinks ist nichts einzuwenden. Ein guter Cocktail kann über alle Kriterien verfügen, die einen Cocktail unverwechselbar werden lassen und daher leicht zu promoten sind und trotzdem Ecken und Kanten haben.


Aber zurück zu Tocco Rosso, unserem Hugo-Aperol-Spritz-Hybrid. Ein Grund für einen Kreuzzug gegen Campari? „Harry Johnson lo vult“? Nein. Sommer darf das. Solange keiner auf die Idee kommt, den Winterdrink des Jahres zu promoten....im Winter will ich meinen Manhattan! Ohne Holunder.

Sonntag, 26. Mai 2013

Des Roggens neue Kleider – George Dickel Rye

Die Roggen-Situation in Deutschland ist weiter unbefriedigend. Die amerikanischen Hersteller kommen kaum hinterher, den eigenen Markt zu beliefern. Und nachdem Heaven Hill jetzt auch aufgehört hat, Rittenhouse 40% und Pikesville (geschmacklich wiederum kein großer Verlust) zu produzieren, fragt man sich immer noch, woher der Roggen für den neuen Manhattan kommen soll.

Ich schrieb vor einiger Zeit über LDI (jetzt MGP), einen in Indiana ansässigen Großproduzenten von Roggenwhiskey. Dessen Produkt mit der markanten Mashbill (95% Rye) ist mittlerweile in vielen in Deutschland erhältlichen Ryes enthalten: Willett Single Barrel Estate, Bulleit, Riverboat, High West und Templeton sind einige davon. Ein weiterer Vertreter ist aktuell (wohl als Grauware) in Deutschland erhältlich: George Dickel Rye. George Dickel ist bisher als Hersteller von Tennessee Whiskey bekannt, also quasi der unbekanntere (qualitativ aber hochwertigere) Bruder von Jack Daniel’s. Und wie gesagt, eingekauft wird der Rye bei LDI. Also wieder ein identischer Rye zu den oben genannten? Mit dem Label eine namhaften Herstellers, was ein teures Brand-Building erspart?

Was den Rye aber von den obigen unterscheidet, ist das, was Dickel selbst das „Sugar Maple Charcoal Filtering“ bezeichnet. Eine Filtrierung durch Holzkohle aus Ahornholz. Kenner Besserwisser können erklären, dass es dieses Filterungsverfahren ist, das den Bourbon vom Tennessee Whiskey unterscheidet. Von den anderen LDI-Abfüllern wird das spezielle Verfahren mit Holzkohle aus Ahorn nicht genutzt. Willett (dahinter stekt der Abfüller KBD, die Kentucky-Bourbon-Distillers) filtriert überhaupt nicht, da es die Fässer einfach abfüllt.. Templeton und Bulleit filtrieren ebenfalls nicht und bei Riverboat ist mir das Verfahren nicht bekannt. High West filtriert auch nicht, verschneidet den Whiskey diverser Jahrgänge. Was aber kann man von einem Rye erwarten, dem die „Ecken und Kanten“ abgeschliffen wurden?

Kurzum: das Verfahren lohnt sich. In der Nase begrüßen süße Dörrfrüchte wie Aprikosen und Rosinen und ein Hauch Karamell sowie etwas Minze. Am Gaumen frisches Zedernholz, viel Roggenwürzigkeit und etwas Lakritz. Dazu Zimt, Zimt und noch mehr Zimt. Die Komplexität des Whiskey erinnert mich eher an einen mit geringerem Roggenanteil und Maiszugabe. LDI wie gesagt enthält 95% Roggen und 5% Gerste. Der frische Minzanteil ist im Gegensatz zu den unfiltrierten Produkten wenig erkennbar. Der Abgang ist sehr mild und dennoch anhaltend. Zwar kommt er nicht an die Fruchtigkeit des Fassstärken-Willett heran, aber die 45% des Dickel sorgen ebenfalls für ein samtig-weiches Mundgefühl. Ein super Sipper für einen verregneten Sommertag.

Dennoch könnte der Roggen aufgrund seiner Milde im Mixtest Schwächen zeigen. Ein schneller 6:2 Manhattan (mit Carpano Antica Formula und Angostura Bitters) zeugt hier für mehr Klarheit. Und siehe da: das wird schwer: Mit Carpano Antica Formula ist der Gute etwas überfordert. Die mächtigen Wein- und Kräutertöne sind zuviel des Guten. Ein schlankerer Wermut wie Dolin oder auch Dubonnet würde hier ein besseres Ergebnis erreichen. Einen Sazerac hingegen schafft der Rye ohne Zweife.

Und ohne Zweifel ist auch: Zuschlagen, solange der Markt es hergibt. Aktuell für ca. 55€ pro Liter (!) zu haben handelt es sich zwar um kein Schnäppchen, aber als Roggen-Freund ist man einiges gewöhnt und Sazerac 6 („Baby Saz“) ist umgerechnet auf den Liter nicht günstiger erhältlich.

Ergebnis: 6 von 10 Punkte.

Dienstag, 21. Mai 2013

C&D Forumstreffen 2013 in Köln - Die Bilder der Bartour

Spirits

Ona Mor

Spontanes Mohn & Mandel Fatwashing im Al-Salam
Friesenbar


Lanson 1976 in der Capri Lounge


Kieselgur-Filteranlage, Capri Lounge

Sollte sich ein Abgebildeter in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt fühlen, lösche ich das Bild unverzüglich! Dazu bitte eine kurze Nachricht an daniel . klingenbrunn @ gmx.de (ohne Leerzeichen).

Alle Fotos der Bartour:
https://skydrive.live.com/redir?resid=A29BFDC21CE85C7F!107&authkey=!ADt5HWrdftMGsyg

Alle Fotos der Sünner Brauereibesichtigung:
https://skydrive.live.com/redir?resid=A29BFDC21CE85C7F!142&authkey=!ANPTnFfzFKee-_w

Dienstag, 23. April 2013

Die Ubiquität guten Trinkens 2 - Bar Bergmann in Stuttgart

Heute mal als Rohtext. Ein kleines Interview mit Eric Bergmann und seiner Bar Bergmann.
 
1.) Zu dir als Barbetreiber: Wie bist du an den Shakern gelandet? Gab es einen "Moment", in dem du wusstest, du wurdest Barkeeper?
Oh, das ist eine interessante Frage. Diesen 'Moment' gab es tatsächlich. Ich saß damals als kleiner Junge mit meinen Eltern an einer Hotelbar und war so davon fasziniert daß ich meinen Eltern damals schon sagte 'ich will Barkeeper werden'.
In meiner Jugend war ich bei Parties eigentlich schon immer der Kerl, der sich um die Getränke gekümmert hat. So richtig ging es dann in einer Studentenbar los.

2.) Was genau hat dich/euch bewogen, genau an diesem Ort und genau zu diesem Zeitpunkt eine Bar zu eröffnen? Warum ist deine/eure Stadt schon reif für gute Cocktails?
Die Sinatra Bar, die mein Projekt 'Bar Bergmann' momentan beherbergt gibt es bereits seit 15 Jahren. Nur wurde sie in den letzten Jahren hauptsächlich unter der Woche als After-Hour-Location mit eher profanen Getränken genutzt.
Die Lage und das Interieur sind perfekt. Leicht versteckt, dennoch zentral und eine Atmosphäre wie in den 40er/50er Jahren.
Stuttgart hat sich in den letzten Jahren, was hochwertige Getränke angeht, wirklich gemausert. Es gibt mittlerweile eine gute handvoll Bars die ich ohne zu zögern weiterempfehlen würde und das Publikum sucht immer mehr nach hochwertigen Getränken abseits des Massenkonsums.
Da ich die meiste Zeit alleine im Laden stehe, möchte ich auch nicht mehr als maximal 20 Personen einlassen um die Intimität zu wahren und kein Gefühl der Enge zu erzeugen. Vom Erhalt der Servicequalität mal ganz zu schweigen.

(c) Wolfgang Simm


3.) Tiki, Speakeasy, Saloon? Gibt es ein spezielles Konzept? Was darf man als Gast erwarten?
Ein Hauch Speakeasy, eine kleine Reise in eine längst vergangene Zeit und eine gemütliche Atmosphäre.
Mein Konzept stütze ich auf Frische. Nur frische Säfte, möglichst keine gekauften Sirups und durchweg hochwertige Spirituosen. Die Drinks orientieren sich an der klassischen und modern-classic Schiene, sind sexy aber bodenständig zu angemessenen Preisen.

4.) Zum Ambiente muss ja auch die Musik passen. Was schallt durch deine/eure Lautsprecher? Oder gibt es gar Livemusik?
Jazz, Bossa Nova und hin und wieder ein wenig Swing :-)
Für Live-Musik reicht mein momentanes Budget leider nicht ;-)

5.) Manche Bartender haben ja durchaus missionarischen Anspruch. Gibt es bei euch die Klassiker "Caipi, Pina Colada, Swimming Pool" auf der Karte oder wie reagiert ihr auf solch eine Bestellung?
Ich hatte bis vor ein paar Monaten noch gar keine Karte. Habe mich dann aber doch durchgerungen eine kleine Auswahl an Getränkevorschlägen auf die Tische zu stellen. Gegen eine gute Caipirinha habe ich prinzipiell nichts und eine schöne Pina Colada mit frischer Ananas und frischem Kokoswasser einer jungen Nuss ist ebenso sexy. Allerdings hört es beim Swimming Pool auch schon langsam auf ;-) ... als Entschuldigung nehme ich da immer gerne den fehlenden Blue Curacao und empfehle etwas Anderes. ;-)

6.) Barrel-Aged Cocktails, Jägermeister in Drinks oder doch die hausgemachte Walhaut-Cheddar-Infusion? Viele Bars experimentieren ja in die verschiedensten Richtungen. Welcher Trend passiert in eurer Bar?
Das ändert sich bei mir von Woche zu Woche. Neben meiner Haupt- und Pouring - Auswahl an Spirituosen versuche ich jede Woche den Fokus auf eine bestimmte Spirituose oder eine bestimmte Zutat zu setzen. Ich bin zu fast jedem Experiment bereit und für vieles zu haben, wobei ich kein grosser Freund von molekularen Cocktails bin.
(c) Wolfgang Simm

7.) Gibt es einen "Signature Drink", oder einen anderen Cocktail der dein/euer Konzept beschreibt? Wenn ja, warum tut er das? Teilt ihr/Teilst du das Rezept mit uns?
Der Sazerac.
Ein klassischer Drink in einer klassischen Bar. Minimalistisch aber dennoch edel und komplex.
3 cl Maker's Mark
3 cl Hennessy VS
1 BL Zuckersirup
Zitronenzeste
1 Dash Peychaud's Bitters
1 Dash BCB Bitter
Das Ganze eiskalt rühren und auf einem schönen Eisblock in einem mit Absinth bestäubtem Glas servieren.


8.) Weil wir hier ja beim Manhattanprojekt sind: Wie sähe dein/euer perfekter Manhattan aus?
Perfekt ist so eine Sache :-)

Mit den, für mich, perfekten Spirituosen wäre er wohl unerschwinglich.

Den Manhattan bei mir rühre ich auf Wunsch mit
2 cl Jefferson's Rye
1 cl Laphroaig 10
0,5 cl Vermouth del Professore
5 cl Carpano Antica Formula
1 Dash TBT Aromatic Bitters
Orangenzeste
Armanac Kirsche

Das Ganze auf Eis mit einer Orangenzeste gerührt, in eine Coupette abgeseiht und mit einer Armanac Kirsche verfeinert.


9.) Und noch zuletzt: "Kommt ein Mann in eine Bar"…beginnen Geschichten häufig. Wie enden sie, wenn er in deine/eure Bar käme?
Hehe, da muss ich doch direkt an den Song von 'Kettcar' denken.
Wobei es bei mir eher selten heisst: 'Jetzt ist Schluss' ;-)
In der Regel gibt es dafür nur einen Grund: Der Herr ist bereits zu beschwipst, in diesem Fall gibt es bei nur noch Wasser.
Einen Gin&Tonic hat's bei mir immer noch gegeben :-)
(c) Wolfgang Simm

Montag, 15. April 2013

Rockabily Mixology III – GENTS Tonic Water

Huch, ein Post über Gin & Tonic? Fast. Im Blickpunkt steht heute Tonic Water.. Aus drei Gründen: Erstens: Es ist Sommer. Zum anderen finde ich das GENTS Tonic ein tolles Produkt, das einen eigenen Platz neben den etablierten Tonics verdient hat. Zum dritten ist es fast zu schade, mit Tonic Water immer nur G&T zu mixen.


GENTS Tonic enthält neben dem Bitterstoff Chinin auch noch Auszüge aus Enzian, der auch dem franzöischen Bitterlikör Suze und Amer Picon seinen Geschmack verleiht. Warum ist also noch niemand davor darauf gekommen, den Bitterstoff in Tonic Water einzusetzen? Das Produkt klingt spannend, hat ein Packaging, das mit seinem surrealistischen Schiff an das Marketing rund um Hendrick’s Gin erinnert, und wird daher einem ausführlichen Test unterzogen. Dennoch, der Benchmark für jedes Tonic ist der Gin & Tonic.

Quelle: www.lion-spirits.de

Gin & Tonic

6 cl Tanqueray Ten
GENTS Tonic Water
Zitronenzeste
Built on Cubes

Als Gin für das Tonic habe ich Tanqueray Ten gewählt. Die Frische der Zitrusfrüchte, die den Gin dominiert soll sich an der speziellen Bitterkeit des GENTS messen.

Die Frische des Gins und das Tonic harmonieren wirklich gut. Der leichte Enzian-Geschmack bleibt erkennbar, bereichert aber den Gin & Tonic mehr als das er ihn verfälscht. Das Tonic zeigt hier, dass es eher ein Tonic für erfahrenere Gaumen ist. Nicht besonders süß und ein tatsächlich neues Geschmackserlebnis.


Quina & Quinine

5 cl Blanco Tequila
3 cl Maurin Quina (durch 2cl Kirschlikör ersetzen)
1,5 cl Agavensirup
1,5 cl Zitronensaft
GENTS Tonic Water

Zum Thema Sommer: Für mich wird dieser Drink der Longdrink des Sommers. Tequila und die Kirsche des Maurin Quina harmonieren perfekt und das Tonic Water gibt dem Drink eine Frische, die geradezu nach einem Liegestuhl ruft.



Disclaimer: GENTS Tonic Water wurde mir kostenlos zur Verfügung gestellt.

Samstag, 23. März 2013

Die Gigantomie der Hausbar - ein Befreiungsschlag.

Ich gestehe. Auch ich bin der Gigantomanie der Hausbar verfallen. Ein Tequila? Natürlich drei: Blanco, Reposado und Anejo. Und ein Extra Anejo auch. Fürs Auge – der Flakon ist äußerst ansehnlich. Und natürlich fürs Ego. Und was sag ich? Vier Tequila? Hochland und Tiefland natürlich. Also acht. Und dazu Gin. London Dry. Old Tom. Genever. Neo-Style. Vom Rum mal gar nicht gesprochen. Länder, Stile, Brennblasen: Die Varianten potenzieren sich. Darf es ein französischer Likör sein? Nur als Reimport aus den USA erhältlich? Egal. Her damit. Schließlich lässt sich die Tradition aus der Flasche ausgießen.

Ich gestehe. Ich bin enttäuscht. Nicht von den Herstellern, die machen zu großen Teilen einen guten Job und tolle Produkte. Nicht vom Barhobby an sich, es macht großen Spaß zu mixen. Aber es ist etwas verloren gegangen. Der Hauch des Neuen, des Verborgenen. Das fiel weg. Plötzlich. Mit meiner Beitragsreihe über Amer Picon begann für mich, dass die Luft aus der Sache raus war. Der letzte Schleier der Cocktailarchäologie hat sich für mich gelüftet. Auch mit Malacca. Ein schöner Gin, aber wo ist der Reiz eines raren Produkts, wenn es nicht mehr darum geht, alte (virtuelle) Keller danach zu durchstöbern, sondern wer am schnellsten den „Kaufen“-Button auf Ebay drückt?

Gestern trank ich einen Wein. Er roch und schmeckte nach einem toten Veilchen. Nie zuvor hatte ich so etwas geschmeckt. Ich verabschiedete mich innerlich für einen Moment von meinen Tischnachbarn (Sorry Guys) und widmete mich nur diesem Geschmack. Die Faszination, die dieser Moment hatte, war nicht zu vergleichen. Nicht mit einem Schluck T. H. Handy Rye von 2009, dem besten Produkt der Reihe. Nicht mit dem Four Roses Small Batch Bourbon Limited Edition 2012. Beides Produkte, die wunderbar sind und für mich zu den besten erhältlichen amerikanischen Whiskeys gehören.

Ich gestehe. Ich war süchtig. Auch nach neuen Cocktailrezepten. Meine Datenbank besteht aus mittlerweile 1200 Rezepten. Sie alle nachzumixen kostet mich mindestens 4 Jahre und drei Spenderlebern.

Ich werde mich trennen. Von den Cocktailrezepten. Und von etwa einem Viertel meiner Hausbar. Nicht weil es schlechte Produkte sind. Nicht weil ich sie nicht mag oder mir nicht vorstellen könnte, mit Ihnen zu mixen. Sondern einfach, weil sie mir zur Last fallen.

In einer Spirituosenwelt, in der alles im Überfluss vorhanden ist, ist es kein besonderes Merkmal, alles zu besitzen. Das kann jeder. Es ist nur eine Frage des Dispo-Kredits. Die in Massen gekauften Flaschen erzählen keine Geschichte mehr. Ich konnte einmal behaupten, mich mit jeder Spirituose in meinem Regal eingehender beschäftigt zu haben. Auch das ist verloren gegangen. 

Dies ist kein Post, meinen Blog zu schließen. Ich liebe Rye. Ich liebe Wermut. Ich liebe Tequila. Die Reihen werden fortgeführt, wenn auch etwas anders. Die Bar und der Blog existieren weiter, allerdings auf das Wesentliche reduziert. Drei Gin, drei Tequila. Viel Rye. Und vieles, anderes mehr.


Euer Tikiwise

Montag, 18. März 2013

Cocktail-Archäologie - Amer Picon - Teil 1

In alten Cocktailbüchern stößt man immer wieder auf die Spirituose bzw. den Bitterlikör Amer Picon. Ich wollte mich diesem Getränk widmen und stieß erstaunlicherweise auf relativ wenig Informationen. Insbesondere wunderte ich mich, dass das heutige Produkt relativ wenig mit dem Ursprungsprodukt gemein zu haben scheint, aber sich dennoch niemand um das wahre Produkt zu kümmern scheint. Merkwürdig, schließlich wird doch sonst sehr penibel nach dem wahren Geschmack gesucht.

Das Bekannte 

 

Dank einem sehr aufschlussreichen Artikel aus der Mixology wissen wir: Amer Picon wurde im Jahre 1837 von Gaétan Picon erfunden, als dieser nach Algerien ging um dort in der französischen Armee zu dienen. Das Getränk aus mazerierten Orangenschalen, der Rinde des Chinabaumes und Enzian hatte fiebersenkende Wirkung und war zudem sehr angenehm zu trinken – Parallelen zum Tonic Water der Engländer sind unverkennbar. Er betrieb daher in Algerien bereits drei Destillerien, womit er auch die Zivilbevölkerung in Frankreich versorgte. Durch die Mobilmachung im Vorfeld des deutsch-französischen Krieges kehrte auch Gaétan Picon nach Frankreich zurück und gründete eine weitere Destillerie in Marseille. Die Rezeptur des „Original“ Picon Amer wurde jedoch im Jahre 1989 soweit verändert, dass der Alkoholgehalt nur noch 21% beträgt, im Original waren es 39%. Das Produkt wird heute in einem Joint Venture von LVMH und Diageo hergestellt und fristet leider ein Nischendasein.

 

Das Unbekannte

Wie kann man heute möglichst nahe an den Original Amer Picon kommen? Wie schmeckte ein Brooklyn, ein Liberal Cocktail oder ein Picon Punch wirklich? Und was ist mit modernen Cocktails wie dem Jaguar?

Das Original – Amer Picon (38%) 

Durch großes Glück gelang es mir eine Flasche Amer Picon zu erstehen. Leider ist der Korken nicht in perfektem Zustand, sodass einige Oxidationstöne vorhanden sein werden. Bei 38% Alkohol allerdings dürfte die gesamte Geschmacksveränderung aber (hoffentlich) zu vernachlässigen sein. Von wann die Flasche ist, ist schwer zu sagen. Nach meinen Recherchen wird sie ca. von 1920 sein. Wer etwas genaueres zum Alter beisteuern kann, wird gerne gehört.

Geschmacksnotizen

Ziemlich oxidativ, fast sherryartig. Aber dahinter eine unglaubliche Fruchtigkeit, die bewahrt blieb. Daneben eine dezente Süße, leichte Orangenölnoten, und deutliche, aber keine störende Bitterkeit. Toll.

Geschmack ist relativ. Daher soll der historische Amer Picon als Maßgabe dienen und zwar indem er zur Justierung des geschmacklichen Koordinatensystems fungiert. Die zu vergleichenden Merkmale sind anhand der oben beim Amer Picon wichtigen Aspekte: Süße und Bitterkeit, sowie Fruchtigkeit und Öl der Orange und die kräutrigen Töne des Likörs, die insbesondere vom Enzian herrühren. Der Übersichtlichkeit halber sind die Werte für den Amer Picon auf „5“gesetzt.

Spur 1 Torani Amer

Torani Amer wird von Torani aus Kalifornien hergestellt, ein 1925 gegründetes Unternehmen, das sonst verschiedene Siruparten für Kaffee herstellt. Torani Amer wird ebenfalls aus Orangenschalen, Chinarinde und Enzian hergestellt und gilt als Ersatzprodukt für Amer Picon. Außerdem besitzt es 39%, weswegen es in den USA als Ersatz für den untergegangenen Picon Amer gehandelt wird. Glücklicherweise ist Torani Amer seit kurzem auch in Europa über TWE zu beziehen. Ein Import nach Deutschland ist auf Nachfrage nicht geplant. Es gibt hier zwei Versionen. Nach 2008 wurden die als unangenehm empfundenen Kräuternoten (manche sprachen von Sellerie) entfernt. Die Veränderung ist leider nicht auf dem Etikett sichtbar, sodass unklar bleibt, welche Charge ich erwischt habe.

Geschmacksnotizen

Der Geschmack ist leider – katastrophal. Sehr alkoholisch, scharf, sprittig. Starke Orangenöltöne kommen durch. Ansonsten wenig süß, wenig bitter. Ich hoffe (für den Hersteller), ich habe die alte Version erwischt.

Spur 2 – Amer Picon (21%) 

Der Amer Picon wie wir ihn heute bekommen in der alkoholreduzierten Version. Häufig ist es ja so, dass mit dem Verlust von Alkohol und der Neurezeptur auch der Geschmack leidet. Kina Lillet und Lillet Blanc sind da so Kandidaten. Die Flasche kostet ca. 20€/l und ist in Europa der Standard, wenn es um historische Cocktails mit Amer Picon geht.

Geschmacksnotizen

Die Verwandtschaft zum Amer Picon ist deutlich. Wesentlich weniger Süße, aber das Geschmacksprofil, insbesondere der Kräuter und der Orangentöne ist dem alten Amer verblüffend ähnlich. Insbesondere die Frische der Orangenfrucht unterscheidet die Picon Amer von den anderen Kandidaten.

 

 

Spur 3 – Amaro CioCiaro 

Amaro CioCiaro ist ein relativ unbekannter Amaro, der in Deutschland nur schwer erhältlich ist. Auf das Tableau habe ich ihn gesetzt, weil Cocktailhistoriker (welch Berufsbezeichnung!) David Wondrich ihn als ein geschmacklich sehr identisches Substitut für Amer Picon hält und dazu rät, ihn zu vermixen.

Geschmacksnotizen

Das kann ich leider nicht bestätigen. Der Amaro ist extrem süß und die Orangenfrucht deutlich präsent, allerdings ziemlich künstlich. Die Kräuternote hingegen bleibt unterrepräsentiert. Für mich kein geschmackliches Substitut. 

Spur 4 – Amer Boudreau 

Jamie Boudreau hat ein weit beachtetes Rezept aus mazerierten Orangenschalen, Stirring’s Orange Bitters und Ramazzotti entwickelt, welches nach Aussagen anderer Bartender dem Picon Amer recht nahe kommen soll. Dank einer glücklichen Fügung gelang es mir auch, eine Flasche des Bitters zu erhalten und ich machte mich an die Herstellung.

Geschmacksnotizen

Der Amaro ist deutlich auf der bitteren Seite. Auch sind die Orangenöl-Noten sehr dominant. Weniger deutlich hingegen die Orangenfrucht, die trotz der Stirring’s Orange Bitters (die sehr fruchtig sind) nicht deutlich durchkommt.


Im Vergleich ergibt sich folgendes Bild: 





Deutlich zeigt sich für mich ein überraschender Sieger im Ähnlichkeitstest: Amer Picon (21%). Die Alkoholreduzierung hat den Geschmack kaum verändert. Alle anderen Kandidaten haben Ausrutsch in die eine oder andere Ecke. Amer Boudreau kommt am ehesten noch an das Produkt. Wieso aber wird dann in den USA soviel Bohei um das Ersatzprodukt gemacht? Vielleicht war doch zu viel Verdunstung von Alkohol im antiken Picon Amer der Grund für die Ähnlichkeit zum neuen Produkt? Eine spirituöse Form der „Altersmilde“ etwa? Ich kann es wohl nicht endgültig erklären, weiß aber, dass europäisches Amer Picon kaum zu bekommen ist. Vielleicht daher der Wunsch nach dem Substitut.


Allerdings muss der identische Geschmack im puren Zustand nicht unbedingt besser sein. Eventuell spielt der Alkoholgehalt beim Vermixen eine stärkere Rolle. Viele andere Zutaten haben sich im Laufe der Zeit ja auch gewandelt. Im zweiten Teil wird es dann um den Geschmack in Cocktails gehen und welche Zutat in modernen und antiken Cocktails das beste Bild abgibt. Höchst subjektiv aber auch höchst schmackhaft.


Mittwoch, 13. März 2013

Sterne-Cocktails I – London Fog Milk Punch

Endlich wieder Bloggen. Bei Sterne-Cocktails soll es um die Frage gehen, wohin die Reise gehen könnte, wenn man ausgetretene Pfade verlassen möchte. Wenn man mit den tollsten Zutaten zubereiteten und auf den Milliliter abgestimmten Cocktails bereits getrunken hat. Auf der Suche nach den Sternen...und nach Cocktails, die in Zubereitung und Geschmack so außergewöhnlich sind, dass man sie getrost als Sternecocktails bezeichnen kann. Vorstellen möchte ich den London Fog Milk Punch.



Schritt 1 - Vanillesirup

Zutaten:
500 ml Wasser
500 g Zucker
2-3 Vanilleschoten

Als Erstes stellt man einen 1:1 Vanillesirup her. Wasser und Zucker aufkochen, Vanilleschoten auskratzen und gemeinsam mit dem Mark in den heißen Sirup geben. Sas ganze abkühlen lassen. Die Vanille kann im Sirup verbleiben. 
 

Schritt 2 – Tee-Infusion

Zutaten:
750ml Weißer Rum
2 gehäufte Teelöffel Earl-Grey-Tee

Tee in den Rum geben. 4 Stunden ziehen lassen. Durch einen Sieb die Teeblätter abseihen.


Schritt 3 – Den Punch ansetzen

Zutaten:
250 ml Zitronensaft
500 ml Frische Vollmilch
2 Zimtstangen
8 Nelken

Zitronensaft und Vanillesirup zu der Infusion geben. Die Milch mit den Zimtstangen und den Nelken erhitzen, bis sie leicht köchelt. Dann die heiße Milch zu dem Rest geben. Ergebnis: Die Milch wird sauer und flockt aus. Sobald sich das ganze auf Raumtemperatur abgekühlt hat durch ein Passiertuch abseihen. Notfalls tut es auch eine Mullwindel.


Das fertige Gebräu einfach auf Eiswürfeln servieren. Gegebenenfalls mit Zitrone oder Zucker die Säure/Süße nachjustieren.


Das Ergebnis ist ein unglaublich fruchtiger Punch, der durch die Aromen von Tee und Milch einen mir bis dato unbekannten Geschmack eröffnet hat. Der Punch lässt sich auch super für eine Tiki-Party vorbereiten und ist weit innovativer als die meisten anderen tropischen Punches.


Montag, 4. März 2013

Rockabily Mixology II - Cachaca

Neben Wodka hat wohl keine Spirituose unter der großen Cocktailrenaissance so stark gelitten wie Cachaca. Wohl um Rache zu nehmen an zu vielen unsäglich süß-bitteren Caipirinhas versteckte der werte Bartender sie in die zweite oder dritte Reihe seines Kabinetts. Dabei wird der kleine Bruder des Rums unterschätzt. Ein guter Cachaça kann die Kräuternoten des frischen Zuckerrohrs mit der Buttrigkeit eines guten Tequila vereinen. Auch aus diesem Grund will ich im Selbstversuch drei Cocktails mit Cachaça testen, für die es sich hoffentlich lohnt, die Flasche abzustauben.


Phantom Limb (Ryan Shevlin) 

  • 1,5 oz Cachaça
  • 0,75 oz Dry Vermouth
  • 0,25 oz Cointreau
  • 0,25 oz Orgeat
  • 2 ds Absinth
  • 1 ds Grapefruit Bitters

Auf Eis rühren, in Cocktailschale abseihen.


Beginnen wir mit diesem netten Aperitif. Wollte Ryan Shevlin ursprünglich einen Cachaça Mai Tai machen, landete er nach dem Austausch von Limette durch Wermut bei einem tropischen Twist auf den Martini Cocktail. In der Nase grüßen die Frische des Cachaça und die Zitrusnoten des Cointreau. Am Gaumen bilden die leichte Süße des Cachaça und die Mandelnoten ein angenehm weiches Bukett bilden. Den Abgang bilden die Würzigkeit des Absinth und das Orgeat. Ein gelungener Aperitif, der zeigt, welch Eleganz Cachaça Drinks haben können.



Amber Hive (Jay Hepburn) 

  • 1 oz Cachaça
  • 0,75 oz Sloe Gin
  • 0,5 oz Zitronensaft
  • 2 barspoons Campari
  • 2 barspoons Zuckersirup
  • 1 Eiweiß
  • 2 ds Grapefruit Bitters
Mit Eiswürfeln lange shaken, in Cocktailschale abseihen

Als zweites ein komplexeres Sour Konzept. In der Nase wieder Cachaça, am Gaumen ein schönes Spiel zwischen der Frucht des Sloe Gin und dem Campari. Der Cachaça bleibt subtil im Hintergrund, bleibt aber Rückgrat des Drinks. Ein wirklich toller Drink, dessen Komplexität viel Freude bereitet.



Bitter in Brazil (aus dem Citizen, Worcester, USA) 

  • 1,5 oz Cachaça
  • 0,75 oz Grand Marnier
  • 0,5 oz Punt e Mes
  • 0,25 oz Zuckersirup
  • Fernet Branca
Das Old Fashioned Glas mit Fernet Branca auswaschen, restliche Zutaten auf Eiswürfeln rühren, dann in Glas mit Eiswürfeln abseihen.

Nun also der Digestif. Schon die Nase macht klar: Der Drink verlangt Zeit. In der Nase die Kräuter des Fernet, die schon in Tabaktöne übergehen. Am Gaumen Orange und unendlich viel Karamel. Der Wermut ist fast gar nicht zu schmecken. Ein sehr süßer, sehr würziger Cocktail, bei dem der Cachaça schon fast nicht mehr zu schmecken ist.


Fazit: Cachaça ist durchaus vermixbar und hält auch modernen Cocktailstandards stand. Allerdings: Nach einem Abend mit Cachaça bin ich auch wieder für einige Zeit gesättigt. Er bleibt ein schwieriger Geselle. Welchen Drink man aber mal tatsächlich ausprobieren sollte ist der Amber Hive.

Freitag, 15. Februar 2013

Die Ubiquität guten Trinkens 1 - Der MeyFeld GenussKLUBB Hannover

Mit diesem Post soll die Reihe „Ubiquität des Guten Trinkens“ beginnen: In meinem Jahreswechselpost hatte ich geschrieben, dass nun die Zeit kommt, in der man überall in Deutschland gute Cocktails trinken könne. Der Behauptung versuche ich nachzugehen, um Bars und Barprojekte aufzuspüren, die sich nicht in den großen Barzentren Berlin, München, Köln und Hamburg befinden, sondern für die meisten von uns "um die Ecke". Im ersten Teil der Serie wird der MeyFeld GenussKLUBB Hannover und seine Philosophie vorgestellt.

Manche Menschen werden förmlich in die Bar hineingeboren. So wie Thomas Neufeld. Schon im Alter von sechs Jahren stand er bei Familienfesten hinter der Theke auf einer Bierkiste und schenkte in weißen Hemd und Krawatte Getränke aus. Mit fünfzehn begann er im Catering zu arbeiten. Trotz Ausbildung zum Anlagenmechaniker riss die Bar-Affinität nie ab und so entschied sich Thomas Neufeld vor einigen Jahren, zu seiner wahren Liebe, der Bar, zurückzukehren.

Als dann „Die Bar die es nicht gibt“ in Hannover stattfinden sollte, führten Thomas Neufeld und Maren Meyer das Projekt durch. Maren Meyer ist  der Bar seit zwanzig Jahren treu geblieben. Als sie als Servicekraft in einer Cocktailbar anfing, war eine Frau an den Shakern dort noch undenkbar. Doch sie setzte sich mit viel Wissensdurst durch und bekam einen der kostbaren Plätze an der Bar. Daraufhin entschied sie sich gegen ihr Studium der Germanistik und Pädagogik und voll für den Barberuf.

Beide beschlossen, das Konzept gemeinsam in Hannover auf Dauer durchzuführen. Einmal im Monat findet nun in ungewöhnlicher Location der MeyFeld GenussKLUBB statt. Dann heißt es: Speakeasy Location, klassische Cocktails und entspannter Atmosphäre der 20er und 30er Jahre. Hannover – bisher nicht gerade berühmt für seine Barkultur – will vorsichtig an die klassische Bar herangeführt werden. Passend dazu läuft an der Bar Swing und Jazz, im Rest der Location Soul und Funk, damit die Drinks direkt in Bewegungsenergie umgesetzt werden können.

Dazu gehören natürlich auch die passenden Cocktails: Sour, Fizz, Old Fashioned und Highballs gehören zum Sortiment. Ansonsten ist die Karte jedes Mal einzigartig. Aber auch alkoholfrei wird experimentiert. In die Limonaden finden unter anderem Salbei & Ananas, Thymian & Earl Grey oder Orange & Ingwer Ihren Weg.

Apropos Experimente: Einige Rezepte mit dem „Wolfenbüttler Hauswein“ – der Fachmann weiß, es handelt sich um Jägermeister – werden ebenfalls über den Tresen gereicht. Gerne auch als Variante des Manhattan mit Lokalkolorit. 

Samstag, 9. Februar 2013

Tanqueray Malacca - Über den Hype.

Seit einigen Tagen ist Tanqueray Malacca im Handel erhältlich. Von den 100.000 Flaschen weltweit haben es einige auch nach Deutschland geschafft. Und die Nachfrage war wohl so gigantisch, dass die Angebote bei den Händlern oft nur wenige Stunden überlebten - trotz der strikten Limitierung von einer Flasche pro Kunden. Mittlerweile sind dreistellige Preise nicht ungewöhnlich

Was also bewegt mich und wohl auch andere Käufer, einem Produkt hinterherzujagen, dass sie oft nicht kennen.

Der Gin des Lebens? Tanqueray Malacca.

Eine wenig spektakuläre Erkenntnis. Wir befinden uns in der Gin-Craze der Neuzeit. Täglich schlagen neue Gins auf dem Markt auf, aus noch älteren Brennblasen, noch authentischeren Rezepten und noch handwerklicher arbeitenden Destillen. Den Überblick hat der Gast wie der Bartender längst verloren. Und damit setzt langsam eine große Enttäuschung ein. Man kann nicht alle Gins haben. Man muss aber auch nicht weil - wenn man mal ehrlich ist - die geschmackliche Bandbreite von Gin auch begrenzt ist. Wacholder, Gewürze und Zitrus. Mal mehr von dem einen, mal mehr von dem anderen. Aber immer distinktiv Gin. Daher musste man auf andere Werbetricks greifen und es gibt jetzt Gins in roten, gelb-roten, blauen kubusförmigen und blauen quaderförmigen Flaschen. Der Vergleich mit aromatisierten Vodkas liegt nahe. Irgendwann ging es nicht mehr um das Produkt an sich. Aber dort hatte man wenigstens größere Geschmacksunterschiede, die eine größere Mixability erlaubten. Gin bleibt Gin.

Tanqueray hat mit Malacca geschafft, was der ganze Gin-Markt wollte und nicht erreichen konnte. The next big thing. Aber der wohl meistbegehrteste der Welt. Wieso? Malacca ist "nur ein Gin". Das Produkt ist von guter Qualität. Und: Er ist vom Hersteller nicht überpreist. Aber insbesondere: Malacca war schon da, als Gin, gerade Old Tom Gin noch ein Nischenprodukt war. Er ist also im Gegensatz zu den "Neo-Gins" wirklich authentisch. Tanqueray setzt damit einen Kontrapunkt zur Gin-Craze. Unaufgeregt, mit kaum Werbung, sehr britisch eben.

Und damit ist vielleicht auch der Begriff "Hype" falsch. Es geht genau um das Gegenteil. Es geht darum, Gin wieder ins rechte Licht zu rücken. Gin ist weder hip noch besonders revolutionär. Gin ist der nette ältere Herr im Cord-Anzug, der einem das Leben erklärt. Und genau das verkörpert Malacca. Solche Menschen sind selten - ein Glück wenn man sie findet. Und genau so steht es mit Malacca. 

Während ich diesen Text geschrieben habe stieg der Preis des Gins gerade von 109€ auf 169€. Der Wunsch nach Authentizität scheint tatsächlich sehr groß zu sein. Werter Leser, wo liegt ihre Schmerzgrenze? Und warum?

Samstag, 26. Januar 2013

Rockabilly Mixology I - Kümmel

Nach kurzer Kreativpause fängt (verspätet) das neue Jahr für das Manhattan Projekt an. Die Beiträge in kommender Zeit werden sich meist den drei großen Themen 2013 widmen: Sterne-Cocktails; Ubiquität guten Trinkens und „Rockabilly“.
Was bedeutet das nun? Ziel der Reihe „Rockabilly Mixology“ soll sein, ungenutzte Zutaten zu neuen Höhen zu bringen um zu zeigen, dass nicht nur Über-Cocktails mit Über-Zutaten einen Platz an der Bar haben, sondern auch kreative, ungewöhnliche Mischungen, die einen anfangs etwas skeptisch auf die Karte blicken lassen.

Den Anfang wird der gute alte Kümmel machen. Und genau das ist sein Problem. Er ist gut und alt und man assoziiert ihn doch eher mit Grünkohl und alten Menschen. Dabei hat er eine lange Tradition als Cocktailzutat. Der „Gilka Kümmel“ wird z.B. bereits im Old Waldorf Astoria Barbook von 1935 als traditionelle Zutat aus Riga und Russland beschrieben und dort in Drinks wie dem „Kingston“ (Jamaika Rum, Kümmel, Orangensaft, Pimento Dram), dem „Loensky“ (Scotch, Kümmel, Kein Eis) oder dem „Lune de Miel“ (Creme de Cacao White, Parfait Amour, Kümmel, Eigelb), von dem das Buch zu berichten weiß, dass er „öfter getrunken als richtig ausgesprochen“ werde. Ausprobiert habe ich insbesondere letzteren aber nicht. Ich wäre begeistert, wenn das der geneigte Leser täte – ich bin dafür nicht mutig genug.

Im Pioneers of Mixing at Elite Bars wird hingegen der Kümmel aus Deutschland gelobt. Qualitative Unterschiede sind mir nicht bekannt, sowohl Helbing als auch Gilka sind in Deutschland verbreitet. Combier macht ebenfalls einen hervorragenden Kümmellikör.

Headkick (Jeff Grdinich, Drink, Boston)

 

 

  • 1 oz Fasstärken-Rye Whiskey (Willett)
  • 1 oz Dry Vermouth (Dolin Dry)
  • 3/4 oz Kümmel (Helbing)
  • 1/4 oz Chartreuse (Gelb)
  • 1 ds Orange Bitters (Angostura)
  • 1 dash Celery Bitters (TBT)

Auf Eis rühren und in Cocktailschale abseihen. Mit Zitronentwist garnieren.

Der Fassstärken-Rye gibt einen prägenden, aber zurückhaltenden Hintergrund für das Spiel von Kümmel und Chartreuse. Die Süße der Liköre wird durch den Wermut deutlich abgemildert. Im Abgang wird der Rye wieder deutlich. Ein schöner Aperitif, der sich nicht aufdrängt.


Spice Trade (Kirk Estopinal, Beta Cocktails)
  • 1 oz Kümmel (Helbing)
  • 1 oz Herbsaint Legendre
  • 3/4 oz Orange Curacao (Pierre Ferrand)
  • 2 ds Aromatic Bitters (Angostura)

Auf Eis rühren und in Cocktailschale abseihen.

Der Spice Trade fällt schon sehr unter die Kategorie “fancy”. Schwere Noten von Anis und Kümmel, die das Aufbegehren des Curacao versuchen kleinzuhalten. Kein Easy-Drinking-Cocktail. Geeignet eher für fortgeschrittene Absinth-Trinker, die etwas “Mildes” möchten.


Alice (Stan Jones, Jones’ Complete Barguide) 

 


  • 1 oz Blended Scotch (Johnnie Walker Black Label)
  • 1 oz Punt e Mes
  • 1 oz Kümmel (Helbing)
Auf Eis rühren und in Cocktailschale abseihen. Orangentwist über dem Glas ausdrücken.


Im Stakkato überschwemmen hier die Aromen die Geschmacksnerven. Orangenöl, Rauch und Kümmel in schneller Abfolge. Die Aromen überlagern sich nicht, sie wechseln sich ab. Hat man in der Nase noch Orange und Rauch, erscheint am Gaumen zunächst der süße Kümmel, gefolgt von einer zutiefst beglückenden Weinigkeit. Im Nachgeschmack wieder Rauch und Kümmel. Beeindruckend, der simpelste und der beste Cocktail des heutigen Abends. Einer, der einem klassischen Negroni oder Rob Roy in handwerklicher Simplizität, aber geschmacklicher Eleganz in nichts nachsteht. Toll.


Es lohnt sich also, den Kümmel mal wieder abzustauben.

Freitag, 4. Januar 2013

Barkultur 2013 – Teil 3 – Rockabilly, Sternecocktails und die Ubiquität guten Trinkens

Ein neues Jahr soll man ja mit guten Vorsätzen beginnen. In meinem Fall will ich mit meinem letzten Post die Kritik hinter mir lassen und versuchen, ein paar Ansätze zu entdecken, wohin sich die Barwelt in den nächsten Jahren entwickeln könnte.


Rockabilly

 

Der Boilermen macht es vor: Laut, ungestüm und auf großen Getränkeumsatz gemacht. Wer hätte noch vor einiger Zeit gedacht, dass man den Gin Basil Smash als Highball kredenzen könnte? Oder dass sich ein Tequila Sunrise wieder auf die Karten ernstzunehmender Bars verirrt? Die Barkultur wird lässiger, ohne an Niveau zu verlieren. Außerdem ist ja das Bedienen an diversen Jahrzehnte ja ohnehin en vogue. Wenn das aber erlaubt ist, wieso sollte man nicht ein neues Jahrzehnt nutzen? Der unglaubliche Erfolg der Serie Mad Men zeigt: Das Ende der fünfziger und der Beginn der sechziger sind ebenfalls ein Zeitalter der Träume. Wieso also nicht eine Rockabilly Bar? Endlich den Staub der trockenen Zwanziger Jahre abschütteln und Spaß haben. Warum sollten Bartender keine Elvis-Tolle tragen? Die Barmusik ist dann auch schnell gefunden, das passende Barinterieur lässt sich mit Sicherheit aus irgendwelchen eingemotteten Bars aus den Fünfzigern reaktivieren. Das Team um Sailor Jerry Spiced Rum hat das Konzept probiert – bisher mit mäßigem Erfolg. Aber dennoch glaube ich, hat das Konzept Zukunft, wird das Trinken entspannter. Und die Cocktails? Es gibt zwar keine speziellen Cocktailstile, aber mit einem „Erlaubt ist was Spaß macht, Hauptsache auf hohem Niveau“ lässt sich einiges anfangen. Beispiel gefällig? Die aktuellen Rezepte aus dem „Jägermeister“-C&D-Wettbewerb.


Sternecocktails

 

Molekulare Mixology ist tot. Toter als tot. Und seitdem Bols mit seinen Schäumen und Perlen den Markt flutete, wurde sie auch auf dem hinterletzten Eck des Friedhofs verscharrt. Zu wenig ernsthaft.
Allerdings ist ein Aspekt untergegangen. Was, wenn man Cocktails aus dem Augenwinkel eines Sternekochs betrachtet? In den USA öffnete vor einiger Zeit das Aviary, eine angegliederte Cocktailbar an das Alinea des Sternekochs Grant Achatz. Dort versucht man aus allerbesten Zutaten Cocktails zur Sterneklasse zu verhelfen. Dabei greift man auch zu Kniffen aus der Molecular Mixology wie Perlen zurück, allerdings nicht nur. Am Tisch infusionierte Kalt- und Heißgetränke, die nach Trinkdauer ihren Geschmack verändern, ein Old Fashioned in the rocks. Serviert wird das ganze in Flights mit drei oder sieben Cocktails, auf Wunsch mit kleinen Speisen aus dem Alinea. Vielleicht wagt sich ja auch ein deutscher Sternekoch an solch ein Projekt?



Ubiquität guten Trinkens

 

Und der letzte und für mich der vielversprechendste Trend des nächsten Jahres: Es ist egal, wohin du gehst, du bekommst einen guten Cocktail. Man muss nicht mehr stundenlang auf Webseiten und Foren surfen, um eine Bar mit guten Cocktail zu finden, sondern Restaurants, Clubs, Hotelbars und Kneipen bieten gute, klassische Cocktails von hoher Qualität an. Ein Cocktail zum Essen ist nichts besonderes, sondern gleichwertig zu einem Glas Wein – ohne aufwändiges Foodpairing. Das Trinken wird von der Nische zum Mainstream. Dabei wird mit Sicherheit die Person des Bartenders an Glanz verlieren – gewinnen wird aber auf jeden Fall die Trinkkultur und der Gast.

 
Das waren meine Vorstellungen vom nächsten Jahr. Demnächst an dieser Stelle wieder mehr Fundiertes und weniger Prognose. Was meint der geneigte Leser? Wohin geht die Reise?

Dienstag, 1. Januar 2013

Frohes neues Jahr & Facebook !!

Liebe Leser und Leserinnen des Manhattan Projekts.

Ich wünsche euch ein gesundes und frohes neues Jahr. Ich hoffe der erste Tag des neuen Jahres ist ein erfolgreicher.

Das Manhattan Projekt ist jetzt übrigens auch auf Facebook erreichbar unter www.facebook.com/dasmanhattanprojekt.

Des weiteren ist viel neues aus der Welt der Bars in der Pipeline, das nur auf einen Blogpost zu warten scheint.

Viele Grüße

Tikiwise