Freitag, 14. Juni 2013

Sommerdrink 2013 – Eine wissenschaftliche Glosse

Campari eröffnet die Sommercocktaildebatte. Offensichtlich erhielten auch einige andere Blogger einen flüssigen Impuls, um sich über den „Sommerdrink 2013“ Gedanken zu machen. Campari schickt hierbei seinen Tocco Rosso ins Rennen, um damit die Herzen der Straßencafébesucher, Nachtschwärmer und der Bars zu erobern. Grundsätzlich gefällt mir die Idee. Im Sommer sollten Cocktails auch draußen genossen werden. Und es trinkt sich draußen einfach anders als drinnen. Und während es den Barbesucher im winterlichen Hamburg (also bis Mitte Mai) auf der Suche nach Nestwärme in die Bars treibt, so fragt man sich ab den ersten wärmenden Sommerstrahlen doch, wie so viele Menschen (immer mehr als Plätze) in die Straßencafes strömen und was diese eigentlich als Broterwerb betreiben, um vor vier schon am Aperol Spritz nippen zu können...aber ich schweife ab.

Der Aperol Spritz...Man liebt oder hasst ihn. Dennoch ist er der größte Cocktail-Coup seit der Promotion der Caipirinha. Er trifft den Massengeschmack. Und als solcher lohnt es sich auch mal einen genaueren Blick auf das Phänomen „Sommerdrink“ zu werfen.

Wie kann man solch einen Erfolg also wiederholen? Was macht eigentlich einen Sommerdrink aus? Und versuchen wir einen – nicht ganz ernst gemeinten - Blick in die Glaskugel: Was wird (leider) garantiert nicht der Sommerdrink 2013?

Unbestrittene Sommercocktails sind der Aperol Spritz und der Hugo. Was lässt sich daraus also lernen?


1. Der Aperol Spritz

Quelle: Aperol.de

Der Aperol Spritz besteht bekanntlich aus drei Komponenten:

Aperol - Sekt – Soda

Ziehen wir also daraus höchstwissenschaftlich Schlüsse: Ein Sommerdrink muss (a) Sekt enthalten und (b) mit universell verfügbaren Zutaten und (c) einfacher bartenderischer Begabung im Gästeglas zubereitbar sein und (d) eine Grundzutat enthalten, die unverwechselbar und daher nicht austauschbar ist.


2. Der Hugo

Victor Hugo, würde Hugo trinken (wikipedia.de)

Der Aperol Spritz ist somit die Blaupause für den Sommerdrink. Wie einfach lässt sich der Gedanke auf den Hugo adaptieren:

Der Hugo wiederum besteht (laut Wikipedia) aus:

Minze – Holunderblütensirup –Sekt – und Soda

Beim Hugo ist es schwieriger. Die Quellen ob Zitronenmelisse- oder Holunderblütensirup verwendet werden soll, variieren. Ebenso ob Likör verwendet werden soll. Außerdem gibt es keine Grundzutat, die dem ganzen Drink seine „Identität“ gibt: Das hat zwei Konsequenzen: Es gibt keine einheitliche Rezeptur, manchmal wird auch Limettensaft hineingegeben. Und: weil der Geschmack eigentlich nicht genau feststeht, fährt ein jeder mit Premixes auf den fahrenden Zug auf. Ein Sommerdrink – ja. Aber keine Konkurrenz zum unverwechselbaren „Aperol Spritz“ – was wiederum gut für die Bartenderschaft sein könnte, denn die Kombination Holunderblüte + Minze ist ein guter Anfang für die Echte-Cocktail-Trinker-Karriere.



3. Tocco Rosso

Quelle: Campari.de

Campari fährt mit seinem Tocco Rosso folgende Zutaten auf:

Campari – Minze – Holunderblütensirup – Sekt

Das mutet sehr nach einem vertrauten Schema an: Wir haben den Bitterlikör, der dem Drink die Identität gibt (d), wir haben Sekt (a), universell verfügbare Zutaten (c) und er ist simpel zu machen. Eine Rezeptur, die sowohl Aperol Spritz Trinkern als auch Hugo Liebhabern gefallen dürfte. Campari hat mit diesen Drink vieles richtig gemacht. EDIT: Gemeint ist der marketingtechnische Aspekt. Ob er auch schmeckt, kann ich nicht beurteilen. ;-)

Viele Barkeeper (und Blogger) dürften über den Tocco Rosso stöhnen: Wieder ein Drink, der keine Ecken und Kanten enthält und für den man seine Fähigkeiten nicht zeigen kann. Und Holunderblüte ist mittlerweile die George-Gina-Lucy-Handtasche der Bar. Jeder hat eine und plötzlich ist sie uncool. Das aber ist der Preis des Erfolgs. Anders gesagt: Wer „Bartenders Ketchup“ promotet muss auch damit rechnen, dass es zu Junk Food gegessen wird. 

4. Der Negroni Sbagliato


Die Frage ist: lässt sich aus den oben genannten Prämissen ein auch höheren Ansprüchen genügender Cocktail herstellen? Ich behaupte: Ja. Und zwar z.B. den Negroni Sbagliato. Er besteht aus 2cl Campari (die unverwechselbare Basis); 2cl Roter Wermut und 2-4 cl Spumante (der Sekt). Auch sind die Zutaten einfach verfügbar und der Drink wird im Gästeglas gebaut.  Für mich der perfekte Sommerdrink. Leider wird er es nicht.


Ergo: Gegen Sommerdrinks ist nichts einzuwenden. Ein guter Cocktail kann über alle Kriterien verfügen, die einen Cocktail unverwechselbar werden lassen und daher leicht zu promoten sind und trotzdem Ecken und Kanten haben.


Aber zurück zu Tocco Rosso, unserem Hugo-Aperol-Spritz-Hybrid. Ein Grund für einen Kreuzzug gegen Campari? „Harry Johnson lo vult“? Nein. Sommer darf das. Solange keiner auf die Idee kommt, den Winterdrink des Jahres zu promoten....im Winter will ich meinen Manhattan! Ohne Holunder.

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