Samstag, 22. Dezember 2012

Barkultur 2013 Teil 1 - Die große Cocktail-Renaissance - bloß ein Nebenprodukt des Hipstertums?

2012 ist vorbei und man könnte einen seitenlangen Abriss über den Markt für Spirituosen und die Renaissance der klassischen Bar schreiben. Kaum eine Woche vergeht, in der nicht der nächste Gin mit Traditionsrezeptur oder ein Likör nach Ancienne Methode präsentiert wird. Aber das verblüffende ist nicht, dass diese Produkte bei spezialisierten Bars und dem geneigten Amateur reißenden Absatz finden, sondern, dass das ganz normale Publikum den ja nicht allzu günstigen Spaß mitmacht. Gin & Tonic statt statt Vodka Lemon hat sich spätestens seit diesem Jahr auch beim „Normalkunden“ durchgesetzt. Wer ist nun dieser nette Geselle von Anfang zwanzig bis Ende dreißig, der in den Medien den Großteil der „werberelevanten“ Zielgruppe ausmacht und der in den urbanen Lebensräumen nächtens in Bars zieht, um Gin & Tonic zu bestellen? Und dass auch noch am liebsten aus alten Apothekerflaschen, weshalb Marken wie Hendrick’s und Monkey 47 auch so beliebt sind. Ein Sieg der Bartender, der Missionare der gebildeten Trunkenheit?


Vielleicht sind diese anachronistisch anmutenden Flaschen aber auch die glasgewordenen Berührungspunkte zweier Subkulturen, die sich gegenseitig perfekt ergänzen: Das moderne Hipstertum und die Renaissance der klassischen Bar. Ein Gedanke, dem sich nachzugehen lohnt.

Der Hipster – man glaubt es kaum – ist mittlerweile auch Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen. Und auch wenn es keine allgemeingültige Definition zu geben scheint, haben sich einige Punkte herauskristallisiert.

Hipster betreiben einen eklektizistischen Zugriff auf verschiedenste Epochen und Stile, um Persönlichkeit und Authentizität zu erreichen - erreichen damit aber doch nur wieder einen Einheitslook. Der Hipster selbst ist damit ein Gegenprodukt zu einer leistungsorientierten, gleichförmigen Gesellschaft, der er sich entziehen will bzw. der er sich nicht anpassen kann. Durch den Rückgriff auf verschiedene identitätsstiftende Merkmale diverser Epochen baut er sich seine eigene Identität. Er beschränkt sich jedoch auf das Darstellen dieser Individualität und seiner Unabhängigkeit – und negiert sich damit selbst. Damit bleibt der Hipster aber ein Paradoxon, weil er seine Individualität durch Anpassung an frühere Subkulturen vollzieht und damit eben keine eigene Individualität entwickelt. Dabei bleiben die Interessen aber auf Oberflächliches wie Mode, Fotografie (als Kunstform) und einer Event-Kultur reduziert.


Wie aber passt dies in die Barwelt? Die Cocktail-Renaissance zelebriert ebenfalls diese Rückgriffe. Ob Pre-Prohibition, Prohibition, Tiki oder Roaring Twenties. Gleichsam stellen diese Epochen Spiegel und Fluchtpunkte für den Gast dar. Durch das gemeinsame Zelebrieren vergangener Zeiten etabliert sich Gemeinsamkeit, die letztlich aber in der Oberflächlichkeit zurückbleibt. Versteckte Bars und verdeckte Klingelschilder haben ihren ursprünglichen Zweck, den verbotenen Ausschank von Alkohol längst verloren. Dass sie, aber ein Gefühl der Zusammengehörigkeit und der Abgrenzung von der „normalen Welt“ geben, ist der neue Zweck. Dass die Bars aber dennoch ohne Probleme werbewirksam im Internet zu finden und darauf aus betriebswirtschaftlichen Gründen auch angewiesen sind, spiegelt den Widerspruch aus Individualität und Gemeinsamkeit wollen gut wieder. Kein Hipster würde jemals eine tatsächlich versteckte Bar finden (sofern es so etwas heute noch geben sollte). Bars waren schon immer Fluchtpunkte. Neu ist, dass diese Flucht für alle sichtbar zelebriert wird.

Auch die Eventisierung des Gin & Tonic passt in dieses Bild. Kein „höher, schneller, weiter“ wie im Zeitalter der grenzenlos aromatisierten Vodkas, sondern ein „kleiner, aber weitaus feiner“ ist wieder en vogue. Mit der Wahl des „guten, alten Rezepts“ wähnt sich der Gast auf der sicheren Seite in Krisenzeiten und rühmt sich seiner Bildung, die aber letztlich doch oberflächlich bleibt. Die wenigsten wissen, dass es die meisten der „Sophisticated Gins“ erst seit kurzem gibt.


Dennoch: Es ist Aufgabe des Bartenders, dem Gast diese kleinen Fluchten zu erlauben, auch wenn er sich dabei nur selbst zelebriert. Ein guter Bartender hilft dem Gast sogar, diese kleinen Triumphe der Unabhängigkeit von der Welt und scheinbarer Weltgewandtheit für sich zu verbuchen.

Letztlich ist dies auch kein Plädoyer gegen die klassische Bar oder gute, neue Produkte (was z.B. Monkey 47 oder Hendrick’s zweifellos sind). Es sei nur darauf hingewiesen, dass nicht nur die klassische Bar den zeitgenössischen Gast geprägt hat, sondern auch – wenn auch versteckt - der zeitgenössische (Hipster)-Gast die Bar.


Und wer immer noch nicht an eine Verbindung zwischen Hipstertum und Bartending glaubt, dem sei folgendes Video zur Ansicht empfohlen.



Wer zum Hipster weiterlesen möchte, sei dieser Artikel empfohlen: http://www.beatpunk.org/stories/distinktion-und-entgrenzung-ueber-den-hipster-als-sozialtypus/

3 Kommentare:

  1. danke sehr !!
    iv never had a problem with being called a hipster!!
    hell iv been called a lot worse HA HA
    i highly do agree with your blog post and i found it rather amusing!
    but when we are at it the whole trend filled industry!
    i think of it as hilarious every one want to bring back the old deeds like tools , spirits looks and interior from the past!! old becomes modern!!
    and at the same time we try not acknowledge the development!!
    trend hunters we call them and all of the sutton in fact the oldest and most popular trend in bar tending and unlikely to disappear is hating on trends!!

    so damn straight im a hipster !! i had tequila, i had mezcal, i have a bar stocked with vintage bar gear and vintage crystal glasses, i drink rye whiskey, i only have crystal clear ice blocks in my bar, i do drinks that just as likely could have been invented 150 years or more ago, i have japanese jigger at home, i look for rare artifacts!! i wear a suit to work and i even have a mustache!!!
    i also wash toilets and work on the floor, buy all of my stuff in an organic store , i stock my fridge with champagne organic and naturally produced with out certification!!

    i go to bed every night after a shift happy and looking forward to the next day!!

    if this pleads me guilty of being a hipster im happy and lucky to be one!!
    by the way thanx for posting that video !! i didnt enjoy making it at all but i made some fantastic friends in russia and i cant wait to go back!!

    best

    Søren

    AntwortenLöschen
  2. Hallo Olaf,

    wenn auch nur an der Oberfläche gekratzt, ein dennoch guter Artikel, leider zu wenig Weitsicht in 2013 reingelegt. Was erwartest du von dem nun laufenden Jahr?

    Gruß,

    Jörg Kalinke (drinkmix)

    AntwortenLöschen
  3. Hallo Jörg,

    der Artikel detailliert zu 2013 wird die Tage noch erscheinen.

    Und obwohl Olaf dankenswerterweise den Artikel auf Facebook verlinkt hat, ist er nur freundschaftlich mit dem Blog verbandelt. ;-)

    LG Daniel (Tikiwise)

    AntwortenLöschen