Samstag, 26. Januar 2013

Rockabilly Mixology I - Kümmel

Nach kurzer Kreativpause fängt (verspätet) das neue Jahr für das Manhattan Projekt an. Die Beiträge in kommender Zeit werden sich meist den drei großen Themen 2013 widmen: Sterne-Cocktails; Ubiquität guten Trinkens und „Rockabilly“.
Was bedeutet das nun? Ziel der Reihe „Rockabilly Mixology“ soll sein, ungenutzte Zutaten zu neuen Höhen zu bringen um zu zeigen, dass nicht nur Über-Cocktails mit Über-Zutaten einen Platz an der Bar haben, sondern auch kreative, ungewöhnliche Mischungen, die einen anfangs etwas skeptisch auf die Karte blicken lassen.

Den Anfang wird der gute alte Kümmel machen. Und genau das ist sein Problem. Er ist gut und alt und man assoziiert ihn doch eher mit Grünkohl und alten Menschen. Dabei hat er eine lange Tradition als Cocktailzutat. Der „Gilka Kümmel“ wird z.B. bereits im Old Waldorf Astoria Barbook von 1935 als traditionelle Zutat aus Riga und Russland beschrieben und dort in Drinks wie dem „Kingston“ (Jamaika Rum, Kümmel, Orangensaft, Pimento Dram), dem „Loensky“ (Scotch, Kümmel, Kein Eis) oder dem „Lune de Miel“ (Creme de Cacao White, Parfait Amour, Kümmel, Eigelb), von dem das Buch zu berichten weiß, dass er „öfter getrunken als richtig ausgesprochen“ werde. Ausprobiert habe ich insbesondere letzteren aber nicht. Ich wäre begeistert, wenn das der geneigte Leser täte – ich bin dafür nicht mutig genug.

Im Pioneers of Mixing at Elite Bars wird hingegen der Kümmel aus Deutschland gelobt. Qualitative Unterschiede sind mir nicht bekannt, sowohl Helbing als auch Gilka sind in Deutschland verbreitet. Combier macht ebenfalls einen hervorragenden Kümmellikör.

Headkick (Jeff Grdinich, Drink, Boston)

 

 

  • 1 oz Fasstärken-Rye Whiskey (Willett)
  • 1 oz Dry Vermouth (Dolin Dry)
  • 3/4 oz Kümmel (Helbing)
  • 1/4 oz Chartreuse (Gelb)
  • 1 ds Orange Bitters (Angostura)
  • 1 dash Celery Bitters (TBT)

Auf Eis rühren und in Cocktailschale abseihen. Mit Zitronentwist garnieren.

Der Fassstärken-Rye gibt einen prägenden, aber zurückhaltenden Hintergrund für das Spiel von Kümmel und Chartreuse. Die Süße der Liköre wird durch den Wermut deutlich abgemildert. Im Abgang wird der Rye wieder deutlich. Ein schöner Aperitif, der sich nicht aufdrängt.


Spice Trade (Kirk Estopinal, Beta Cocktails)
  • 1 oz Kümmel (Helbing)
  • 1 oz Herbsaint Legendre
  • 3/4 oz Orange Curacao (Pierre Ferrand)
  • 2 ds Aromatic Bitters (Angostura)

Auf Eis rühren und in Cocktailschale abseihen.

Der Spice Trade fällt schon sehr unter die Kategorie “fancy”. Schwere Noten von Anis und Kümmel, die das Aufbegehren des Curacao versuchen kleinzuhalten. Kein Easy-Drinking-Cocktail. Geeignet eher für fortgeschrittene Absinth-Trinker, die etwas “Mildes” möchten.


Alice (Stan Jones, Jones’ Complete Barguide) 

 


  • 1 oz Blended Scotch (Johnnie Walker Black Label)
  • 1 oz Punt e Mes
  • 1 oz Kümmel (Helbing)
Auf Eis rühren und in Cocktailschale abseihen. Orangentwist über dem Glas ausdrücken.


Im Stakkato überschwemmen hier die Aromen die Geschmacksnerven. Orangenöl, Rauch und Kümmel in schneller Abfolge. Die Aromen überlagern sich nicht, sie wechseln sich ab. Hat man in der Nase noch Orange und Rauch, erscheint am Gaumen zunächst der süße Kümmel, gefolgt von einer zutiefst beglückenden Weinigkeit. Im Nachgeschmack wieder Rauch und Kümmel. Beeindruckend, der simpelste und der beste Cocktail des heutigen Abends. Einer, der einem klassischen Negroni oder Rob Roy in handwerklicher Simplizität, aber geschmacklicher Eleganz in nichts nachsteht. Toll.


Es lohnt sich also, den Kümmel mal wieder abzustauben.

Freitag, 4. Januar 2013

Barkultur 2013 – Teil 3 – Rockabilly, Sternecocktails und die Ubiquität guten Trinkens

Ein neues Jahr soll man ja mit guten Vorsätzen beginnen. In meinem Fall will ich mit meinem letzten Post die Kritik hinter mir lassen und versuchen, ein paar Ansätze zu entdecken, wohin sich die Barwelt in den nächsten Jahren entwickeln könnte.


Rockabilly

 

Der Boilermen macht es vor: Laut, ungestüm und auf großen Getränkeumsatz gemacht. Wer hätte noch vor einiger Zeit gedacht, dass man den Gin Basil Smash als Highball kredenzen könnte? Oder dass sich ein Tequila Sunrise wieder auf die Karten ernstzunehmender Bars verirrt? Die Barkultur wird lässiger, ohne an Niveau zu verlieren. Außerdem ist ja das Bedienen an diversen Jahrzehnte ja ohnehin en vogue. Wenn das aber erlaubt ist, wieso sollte man nicht ein neues Jahrzehnt nutzen? Der unglaubliche Erfolg der Serie Mad Men zeigt: Das Ende der fünfziger und der Beginn der sechziger sind ebenfalls ein Zeitalter der Träume. Wieso also nicht eine Rockabilly Bar? Endlich den Staub der trockenen Zwanziger Jahre abschütteln und Spaß haben. Warum sollten Bartender keine Elvis-Tolle tragen? Die Barmusik ist dann auch schnell gefunden, das passende Barinterieur lässt sich mit Sicherheit aus irgendwelchen eingemotteten Bars aus den Fünfzigern reaktivieren. Das Team um Sailor Jerry Spiced Rum hat das Konzept probiert – bisher mit mäßigem Erfolg. Aber dennoch glaube ich, hat das Konzept Zukunft, wird das Trinken entspannter. Und die Cocktails? Es gibt zwar keine speziellen Cocktailstile, aber mit einem „Erlaubt ist was Spaß macht, Hauptsache auf hohem Niveau“ lässt sich einiges anfangen. Beispiel gefällig? Die aktuellen Rezepte aus dem „Jägermeister“-C&D-Wettbewerb.


Sternecocktails

 

Molekulare Mixology ist tot. Toter als tot. Und seitdem Bols mit seinen Schäumen und Perlen den Markt flutete, wurde sie auch auf dem hinterletzten Eck des Friedhofs verscharrt. Zu wenig ernsthaft.
Allerdings ist ein Aspekt untergegangen. Was, wenn man Cocktails aus dem Augenwinkel eines Sternekochs betrachtet? In den USA öffnete vor einiger Zeit das Aviary, eine angegliederte Cocktailbar an das Alinea des Sternekochs Grant Achatz. Dort versucht man aus allerbesten Zutaten Cocktails zur Sterneklasse zu verhelfen. Dabei greift man auch zu Kniffen aus der Molecular Mixology wie Perlen zurück, allerdings nicht nur. Am Tisch infusionierte Kalt- und Heißgetränke, die nach Trinkdauer ihren Geschmack verändern, ein Old Fashioned in the rocks. Serviert wird das ganze in Flights mit drei oder sieben Cocktails, auf Wunsch mit kleinen Speisen aus dem Alinea. Vielleicht wagt sich ja auch ein deutscher Sternekoch an solch ein Projekt?



Ubiquität guten Trinkens

 

Und der letzte und für mich der vielversprechendste Trend des nächsten Jahres: Es ist egal, wohin du gehst, du bekommst einen guten Cocktail. Man muss nicht mehr stundenlang auf Webseiten und Foren surfen, um eine Bar mit guten Cocktail zu finden, sondern Restaurants, Clubs, Hotelbars und Kneipen bieten gute, klassische Cocktails von hoher Qualität an. Ein Cocktail zum Essen ist nichts besonderes, sondern gleichwertig zu einem Glas Wein – ohne aufwändiges Foodpairing. Das Trinken wird von der Nische zum Mainstream. Dabei wird mit Sicherheit die Person des Bartenders an Glanz verlieren – gewinnen wird aber auf jeden Fall die Trinkkultur und der Gast.

 
Das waren meine Vorstellungen vom nächsten Jahr. Demnächst an dieser Stelle wieder mehr Fundiertes und weniger Prognose. Was meint der geneigte Leser? Wohin geht die Reise?

Dienstag, 1. Januar 2013

Frohes neues Jahr & Facebook !!

Liebe Leser und Leserinnen des Manhattan Projekts.

Ich wünsche euch ein gesundes und frohes neues Jahr. Ich hoffe der erste Tag des neuen Jahres ist ein erfolgreicher.

Das Manhattan Projekt ist jetzt übrigens auch auf Facebook erreichbar unter www.facebook.com/dasmanhattanprojekt.

Des weiteren ist viel neues aus der Welt der Bars in der Pipeline, das nur auf einen Blogpost zu warten scheint.

Viele Grüße

Tikiwise