Donnerstag, 11. Juli 2013

Warum „Artisanal Spirits“ nicht immer besser sind: Mezcal – eine Geschmackserfahrung

Wir lieben „Craft“ und den kleinen Bruder „Artisanal“. Craft Beer, Artisanal Gin. Craft Whisky. Small Batch Bitters. Aber was ist „Craft“ überhaupt? Es bedeutet, dass Produkte nicht industriell hergestellt werden, sondern mit viel Liebe von Hand in kleinen Mengen und zum Teil traditionellen Methoden hergestellt werden. Das hat durchaus seine Berechtigung. Die Craft Beer Szene bzw. die Micro Breweries haben die jahrzehntelange Stagnation im deutschen Biermarkt aufgebrochen. Die Eigenherstellung von Gin und Bitters hat eine ähnliche Qualitätserhöhung und -vielfalt mit sich gebracht. Dahinter steht die zum Teil etwas idealisierende Vorstellung, dass hier der Handwerksmeister („Craftman“) noch im Schweiße seines Angesichts das Produkt herstellt. Was aber, wenn man den Schweiß des Handwerksmeisters noch schmeckt

Mezcal ist das Produkt, das dieses Prinzip auf die Spitze treibt. Mezcal wird in Kleinstmengen hergestellt und verkauft. Dabei werden gerade bei familiengeführten Betrieben auch traditionelle Methoden genutzt. Höhepunkt ist der Mezcal Minero: Hier besteht die Brennblase nicht aus Kupfer oder gar Edelstahl, sondern aus Ton. Der Export funktioniert so: Man fährt nach Mexiko, kauft einer Familie die ca. 200 Liter Jahresproduktion ab, verschifft sie und verkauft sie hier.

Kürzlich kam ich dank des C&D-Forums zu einem Mezcal Tasting. Es wurden dreizehn junge Mezcals gekostet. Und die Bandbreite in den Geschmäckern war furchterregend. Andere Teilnehmer berichteten von „Muffigem Keller“, „Nagellackentferner“ und „feuchtes Handtuch aus Plastiktüte“ sowie „verbrannten Reifen“. Trotzdem erhielten die Produkte zum Teil Höchstnoten. Ist das nur olfaktorischer Masochismus? Oder ist es mehr? Ist es viel eher das Gefühl, dass „handwerkliche Produkte“ einfach echter, intensiver und damit richtiger schmecken als industriell hergestellte Produkte? Und wenn ja, stimmt das? Gerade die semi-professionell hergestellten Produkte: Illegal und San Cosme polarisierten im Test. Dem einen waren sie zu langweilig, die anderen erfreuten sich am Geschmack von Agave und Rauch ohne „Fehltöne“.

Ich will im Übrigen nicht behaupten, Mezcal sei gefährlich oder ungesund. Jedes exportierte Produkt wird durch das Mezcal Regulatory Council (COMERCAM) in Labors kontrolliert. Eine Qualitätskontrolle ist daher vorhanden. Aber auch verschiedene Bartender erklärten mir wenig erfreut, dass die Qualität innerhalb der verschiedenen Chargen einer Marke sehr stark schwankt.

Was stimmt den nun? Wie muss Mezcal denn nun genau schmecken? Wahrscheinlich stimmt beides. Ursprünglicher Mezcal schmeckt einfach anders. Das Ergebnis der semi-industriellen Herstellung nennen die einen Geschmacksverlust, die anderen Fortschritt. Und hinzu gesellt sich das Wort Trend. Dinge verkaufen sich derzeit einfacher, wenn sie nicht von einem großen Hersteller kommen, sondern von familiengeführten Unternehmen. Daher wird eher der Versuch unternommen, kleiner zu wirken als man tatsächlich ist (siehe Templeton Rye). So ist es auch mit Mezcal. Der Trend bestimmt zwar nicht den Geschmack, aber die Bewertung desselbigen.

Mezcal ist für mich die Spirituose der Artisanal-Generation. Ich freue mich über das Auftauchen guter Produkte und ich mixe gerne mit ihr. Sie passt zu Himbeeren, Birnen, Salbei, Rote Beete und vielem mehr. Aber es bleibt bei Kleinstproduzenten ein Produkt mit großen Qualitätsschwankungen. Ich für meinen Teil bleibe daher beim semi-industriell gefertigten Mezcal wie San Cosme oder Illegal. Gegen den Trend.

4 Kommentare:

  1. Das ist wie mit Vin Naturel. Ist 'Trend', authentisch, handwerklich - und da darf ein Wein plötzlich nach stark verfaulten Früchten schmecken; wem sich das nicht erschließt, der hat den Wein dann nicht verstanden... Grässlicher Trend.

    AntwortenLöschen
  2. Tschuldigung, muss kurz mal einschreiten.

    Mezcal ist meiner Meinung nach nicht das Produkt, das das Prinzip Craft/Artisanal/Small Batch etc. auf die Spitze treibt, denn...

    ..."auf die Spitze" treiben solche (Marketing)Begriffe ausschließlich die Vertriebe/Vermarkter/Medien und nie die auf Qualität bedachten Kleinsthersteller - schon gar nicht mexikanische Microdestillateure;

    ...die im o.g. Tasting, das sich angeblich auf das sog. "Niedrigpreissegment" (Was ist bei Preisen ab 20 EUR für ein maximal einige Monate gelagertes Massenprodukt niedrig?) konzentriert hat, angebotenen Mezcals waren KEINE Artesenal Mezcals nach der oben verlinkten Definition auf mixology.eu, denn es handelte sich m.E. ausnahmslos um Industrieprodukte. Warum?

    a) Ernsthafte Mezcalbrenner würden ihren Stoff NIE unter seiner originalen Alkoholstärke, auf die er mit aller Handwerkskunst (in meist einmaliger Destillation) gebrannt wurde, abfüllen. Da sprechen wir von 46% Vol. aufwärts - eher um 49% Vol. Alle 38/40/42%er sind in der Alkoholstärke herabgesetzte Industrieprodukte (Man könnte sie auch Rauchtequilas nennen).

    b) Traditioneller Mezcal wird nur ungelagert unter der Bezeichnung "Joven" verkauft. Die Qualitäten "Reposado", "Anejo" etc. sind aus dem Tequilabereich importierte Begriffe und sind Zugeständnisse an die Gewohnheiten von Tequilatrinkern. Artesanal Mezcal und Fasslagerung schließen sich nach meinem Empfinden aus.

    c) Für Artesanal Mezcal verlangen die Produzenten neuerdings rund 50 US-$ von ihren Vertrieben/Importeuren. Man kann sich selber ausrechnen, wo der Einzelhandelspreis mit Transport, Steuern etc. in Europa liegt bzw. in naher Zukunft liegen wird.

    ...die Produkte der Marken Ilegal, San Cosme, etc. und auch der Del Maguey Vida sind z.T. (ich kenne nicht alle im Detail) gute Produkte, die aber vornehmlich zur Verwendung in Mixgetränken an der professionellen Bar konzipiert wurden und sich v.a. im Preis deutlich von Artesanal Mezcal unterscheiden (müssen). Die "Rückrechnung" vom Bruttopreis abzügl. Steuern, Margen der Groß-/Zwischenhändler und Importeure, Kosten für Marketing, Verpackung etc. zum Herstellungspreis des Flascheninhalts ist ja bekannt (wenn nicht google nach Herrn Duffs Beiträge zum Thema u.a. in "Mixology"). Die Differenz dieses bei Industrieprodukten bereits erreichten Preises zu den Preisvorstellungen der Mezcalbrenner ist exorbitant und wird es auch bleiben.

    Fazit: Meiner Meinung nach wird die Preisschere zwischen "Mixmezcal" und hochwertigem "Sipping Mezcal" in unseren Breiten weiter auseinander triften. Die wenigen Händler von teuren Qualitäten werden sich nach anderen Kundenkreisen - z.B. im Single Malt-Bereich - umsehen müssen. Bei den "billigeren" Mezcals zwischen derzeit 20-40 EUR (brutto) pro Flasche werden immer wieder genießbare Probanden dabei sein. Manche werden aber eben zwangsläufig als Themaverfehlung scheitern.

    Ob es überhaupt einen Mezcal-Trend gibt, wage ich zu bezweifeln. Der Vergleich von Torben mit Vin Naturel ist teilweise nicht falsch, hinkt aber m.E. gewaltig.

    Ich hoffe, dem geneigten Leser meiner Worte ist aufgefallen, dass ich in diesem kleinen Beitrag mehrfach Formulierungen wie "meines Erachtens" oder "meiner Meinung nach" verwendet habe.

    https://fbcdn-sphotos-b-a.akamaihd.net/hphotos-ak-ash3/545204_10101452239991440_519910868_n.jpg

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Vielen Dank für deinen Beitrag. Es stimmt, die Produkte waren im Niedrigpreissegment.

      Wenn du davon sprichst, teurere Produkte wären besser, welche meinst du: Pierde Almas? Minero? Gerade von Pierde Almas - auch den hochprozentigen - wurden an mich große Qualitätsschwankungen herangetragen.

      Löschen
    2. Ja. Die verschiedenen Abfüllungen von Real Minero, Pierde Almas, Del Maguey - und nehmen wir auch noch Alipus mit dazu - sind sehr unterschiedlich in ihrem Geschmacksprofil. Sie stammen (zum größten Teil) von verschiedenen Brennereien (und werden nur unter einem gemeinsamen Namen vermarktet), die unterschiedliche Apparaturen verwenden und es werden bekanntlich verschiedene Agaven(sorten) als Basismaterial verwendet. Blablabla... Da die Produktionschargen auch nicht gerade riesig sind, müssen fast zwangsläufig Unterschiede in den Batches auftreten. Allerdings würde ich persönlich diese als relativ gering einschätzen und kann mir nicht vorstellen, dass die Importeure bei den geringen in Europa verkauften Mengen wissentlich qualitativ minderwertigen Stoff in Umlauf bringen, um die mühsam erworbenen Kunden gleich wieder zu vergraulen.

      Nach meinen Erfahrungen sind die Unterschiede bei z.B. Del Maguey-Abfüllungen aus verschiedenen auch Jahre auseinanderliegenden Batches spürbar. Ich würde die aber nicht zwangsläufig auf einen Anstieg oder Abfall der Qualität a la "früher war alles besser" zurückführen, sondern eher auf natürliche Gegebenheiten bzw. Unterschiede in der Produktionsweise. Da bin ich vielleicht ein wenig naiv, sehe das aber ähnlich wie Unterschiede bei Singlecaskabfüllungen im Whiskybereich.

      Löschen