Mittwoch, 19. September 2012

Das große Rye-Tasting #2


...das Rye Tasting umfasste noch weitere vier faszinierende Roggen-Whiskeys.

Pikesville Rye

Pikesville Rye ist der Sparfuchs unter den getesteten Roggen. Während er in den USA für 13 USD die Flasche (!) zu bekommen ist, zahlt man hierzulande ca. 25€ - für einen Rye erstaunlich günstig. Pikesville zählte ursprünglich zu den Roggen, die in Maryland nach dem dortigen Stil gebrannt wurden, und der eher fruchtig im Geschmack sein sollte. Heute allerdings wird Pikesville zusammen mit Rittenhouse Rye in der Heaven Hill Distillery hergestellt und enthält die gleiche Mashbill wie diese.
In der Nase ist er dennoch untypisch, Himbeere und Kirschtöne, die sich auch am Gaumen wiederfinden. Wesentlich runder, weniger kräftig, starke vanillige Töne und ein Finish, dass eher an einen süßen, milden Scotch als an Rye erinnert. Anders eben.

Whistlepig Rye

Whistlepig Rye war - ehrlich gesagt - der Rye, auf den ich besonders gespannt war. Ein 100% Rye, mit 50%  genug Power und mit 10 Jahren auch der älteste Teilnehmer im Feld. Eine weitere Besonderheit: Es ist kanadischer Rye, der von  Dave Pickerell (ehem. Makers Mark Master Destiller) für Whistlepig gekauft und abgefüllt wird. Und er startet mit allerhand Vorschusslorbeeren. 96 Punkte im Wine Enthusiast, fünf Sterne im Spirit Journal. Was soll da schieflaufen? Im Blind Tasting allerdings versagt der Rye vollkommen. Eine üble Klebstoffnote, der Geschmack ebenfalls - Klebstoff. Ja, auch viele fantastische Gewürzaromen, die aber total überlagert werden. Auch nach Auflösung der Probanden herrschte Ratlosigkeit. Der Preis (immerhin 80 USD und in Deutschland 100€) erschien uns nicht gerechtfertigt. Eventuell wird es demnächst Zeit für eine Wiedervorlage.

Willett Family Estate Single Barrel 3yo

Ich gebe zu - ich bin voreingenommen. Ich liebe diesen Whiskey. Und ich hatte gehofft, dass dies auch die anderen Tester so sehen würden. Der Willett ist ein Single Barrel Produkt, demnach hier die genauen Daten: Fass Nr.: 6487, 57,8%; Flasche Nr. 74/228. Zur Herkunft: Der Name Willett ist ein großer Name im Whiskey-Business und die Whiskeys legendär. Dazu noch in einem anderen Beitrag mehr. An dieser Stelle muss reichen: Dieser Whiskey stammt nicht aus der Willett Distillery, sondern von LDI (siehe Teil #1) und hat damit die gleiche Mashbill wie Bulleit und Templeton. Nur dass die Fässer früher (nach 3 Jahren) und in Fassstärke abgefüllt wurden. Und wieder zeigt sich: Die Mashbill hat kaum Auswirkungen auf das Produkt.

Der Rye hat eine ungemeine Frische, viel Zitrusöl aber auch Mandeln und Haselnüsse. Er würde sich - nach einem Tester - gut im Boston Sour machen. Das kann ich bestätigen. Er macht aber auch einen fantastischen Sazerac. Die JFK Bar in der Frankfurter Villa Kennedy macht damit seine Manhattans (Zitat: "Der Rittenhouse BiB ist leider aus."). Am Gaumen sehr würzig und extrem trocken. Ein extremer Rye, dessen Jugend man schmeckt, der aber auch schon viel Fass geatmet hat. Toll, wie auch die Tester bestätigten.

Sazerac Rye 6

Als letztes das Flaggschiff des amerikanischen Roggens. Der Sazerac 6yo, mein Standard-Mix-Rye. Und ein Produkt, dass mit 51% Rye (12% Gerste und 37% Mais) nur das gesetzliche Minimum an Roggen enthält. Das macht sich auch bemerkbar, denn der Whiskey erscheint runder, die Kraft und die Würzigkeit des Roggen eingebunden. Alle Tester vergaben hier Höchstnoten. Weitere Ausführungen zum Geschmack waren nach 7x2 cl Rye nicht mehr zu machen.
 

Fazit:

Für mich hat das Rye Tasting zwei wichtige Ergebnisse geliefert: Zum einen bedeutet mehr Roggen nicht zwangsläufig einen besseren Geschmack - Im Gegenteil, besonders komplex und dennoch gefällig erschienen diejenigen, die einen größeren Anteil von Mais enthielten. Zum anderen sagt Destille und Mashbill noch nichts über den Geschmack aus. Mit Bulleit, Templeton und Willett hatten wir drei vollkommen unterschiedliche Whiskeys gleicher Herkunft und Mashbill.

Eine Bewertung nach Noten soll hier nicht erfolgen. Worauf sich das Plenum aber geeinigt hat, ist: Mit Sazerac und Wild Turkey kann man nichts falsch machen. Templeton muss man mögen. Bulleit scheint ein würdiger Mixing Rye - wäre er nicht so horrend teuer. Und der Willett ist ein toller Rye zum kleinen Preis, wenngleich nicht für jeden Cocktail.


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